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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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weiterzuziehen. »Das ist eine dämliche Angewohnheit.«
    Sie schüttelte ihn ab und blieb stehen.
    »Das ist mir klar, aber darum geht es nicht. Ich habe seit gestern Morgen kein einziges Mal auch nur einen Gedanken an eine Zigarette verschwendet. Und auch jetzt – ich weiß, dass ich Raucherin bin, aber ich glaube, ich müsste mich beim ersten Zug übergeben. Ich hab einen starken Ekel davor, ist doch seltsam, oder?«
    Christian winkte ab. »Dass du dich vor Zigaretten ekelst, finde ich nicht seltsam, sondern normal. Können wir jetzt gehen?« Widerwillig setzte sie sich in Bewegung. »Schon fast halb sieben, am besten besorgen wir uns erst mal ein Hotelzimmer.«
    »Nein, zuerst muss ich zum Circus Krone. Ich brauche unbedingt von diesem Konzert eine Besucherliste. Danach sehen wir weiter.«
    Mittlerweile hatten sie die Gleise hinter sich gelassen und gingen auf einen der seitlichen Ausgänge zu.
    »Sibylle, ich möchte dich ja nicht entmutigen«, sagte Christian, »aber ich glaube nicht, dass du eine solche Liste bekommen wirst.«
    »Ich möchte es trotzdem versuchen.«
    »Woher sollen die Veranstalter des Circus Krone eine solche Liste haben? Selbst wenn man Karten über das Internet bestellt, wo man seinen Namen und die Adresse angeben muss, werden diese Daten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an den Veranstalter weitergeleitet.«
    Christian hatte recht, das wusste sie,
aber wie bin ich an die Karten gekommen? Im Internet? Hab ich überhaupt schon mal was übers Internet gekauft?
    Sie hatten den Ausgang des Hauptbahnhofs erreicht und traten ins Freie. Eine digitale Anzeigetafel auf der gegenüberliegenden Seite zeigte abwechselnd die Uhrzeit und die Temperatur. Noch waren es 21 Grad, aber Sibylle dachte daran, dass sie am Abend in ihrem T-Shirt und der dünnen Baumwolljacke vielleicht frieren würde.
    In einer langen Reihe standen links von ihnen Taxis in einem markierten Bereich. Die Fahrer saßen bei meist geöffneten Fenstern hinterm Steuer und beschäftigten sich mit Zeitungen oder Büchern oder hatten ihre Fahrzeuge verlassen und standen zusammen, unterhielten sich angeregt, lachend.
    Sibylle ging zielstrebig auf das erste Taxi der Reihe zu, öffnete die hintere Tür und setzte sich hinein. Der Fahrer faltete sorgfältig und ohne Eile seine
Süddeutsche
zusammen und legte sie auf dem Beifahrersitz ab, während Christian neben Sibylle Platz nahm.
    »Zum Circus Krone bitte«, gab Sibylle an, noch bevor der Fahrer sie danach fragen konnte. Der drehte sich um und sah sie grinsend an. »Zum Circus Krone? Das ist einen knappen Kilometer entfernt, vielleicht zehn Minuten zu Fuß. Möchten Sie wirklich, dass ich sie da hinfahre?«
    »Ja. Können wir jetzt losfahren, bitte?«
    Der Mann machte eine Geste, als wolle er sagen: ›Bitte, wie Sie möchten, es ist Ihr Geld.‹
    Nur drei oder vier Minuten später standen sie schon in der Circus-Krone-Straße direkt vor dem Haupteingang. Ein gewaltiges Vordach, das auf blau lackierten Metallsäulen ruhte, überspannte den Bereich vor dem Eingang, so dass man auch bei schlechtem Wetter anstehen konnte, ohne nass zu werden. Über dem vorderen Rand des Daches war an Metallverstrebungen in hohen, roten Buchstaben der Name des Circus angebracht. Sibylle gab dem Fahrer einen Zehneuroschein und hörte beim Aussteigen, wie Christian ihm sagte, er solle ein paar Minuten warten, es könne sein, dass sie gleich mit ihm weiterfahren würden.
    Außer ihnen hielt sich kein Mensch im überdachten Bereich auf. Sibylle blieb stehen und sah sich um.
    Sie kannte diesen Anblick, sie wusste sogar, wie dieser Bereich aussah, wenn viele Menschen sich hier aufhielten. Sie kannte das Gedränge vor einem Konzert, bis endlich die zweiflügelige Eingangstür geöffnet wurde. Und gleichzeitig kam sie sich vor wie eine Fremde, die zum allerersten Mal dort stand.
    Eine flüchtige Berührung an ihrer Hand ließ sie zusammenzucken. Christian stand neben ihr und sah sie auffordernd an.
    Die Tür war geschlossen, die Dunkelheit dahinter ließ vermuten, dass sie niemanden antreffen würden. Trotzdem ging Sibylle auf den Eingang zu und zog an dem großen Griff, der diagonal über die gesamte Breite der Tür verlief. Abgeschlossen.
    »Schau mal hier«, sagte Christian und deutete auf ein Schild, das auf Augenhöhe an der Wand neben dem Eingang angebracht war. Dort war zu lesen, dass während der Reisezeit des Circus von April bis November der Krone-Bau täglich von 10 bis 17 Uhr und an den Abenden

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