Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
dort, wo ein kleinerer Fels offensichtlich gefallen und zerborsten war.
Es dauerte eine Weile, bis Sunny klar wurde, was sie da sah.
Ihr Magen verkrampfte sich, Hoffnung glomm auf. Konzentriert untersuchte sie einen der Steinhaufen. Es schien so, als ob Felsbrocken oben vom Rand in die Tiefe gefallen und beim Aufschlag zerbrochen waren. Sunny nahm einen faustgroßen Stein in die Hand und rieb mit dem Daumen darüber. Rau, wie Sandpapier, wunderhübsch anzusehen, pink. Sandstein.
Sandstein war weich.
Um ganz sicher zu sein, hieb sie den Brocken in ihrer Hand auf einen auf dem Boden liegenden Stein. Er zerbröckelte.
Nein, diese Stelle war zu steil. Sunny ging an der Wand entlang, den Blick unablässig nach oben gerichtet. Irgendwo musste die Wand sich doch ein wenig neigen, nur ein wenig, mehr verlangte sie ja gar nicht …
Da. Hier verliefen die Wellen leicht schief. Sunny strich mit der Hand über den rauen Felsen, fühlte die sandige Oberfläche. Vielleicht hier …
Sie rannte zum Camp zurück und kramte hastig den Lockenstab aus ihrer Tasche. Chance hatte nicht gefragt, aber die Pistole war nicht die einzige Waffe, die sie bei sich trug. Eilig drehte sie an der Kappe des Griffs. Ein Messer glitt in ihre Hand. Die Klinge war nur schmal, zum Schneiden gedacht, nicht zum Hacken, aber scharf und nahezu unverwüstlich.
Die Idee, die ihr gekommen war, könnte man irgendwo zwischen witzlos und verrückt ansiedeln. Aber es war der einzige Einfall, der auch nur annähernd eine Aussicht auf Gelingen hatte. Und es war besser, selbst etwas zu tun, als wie erstarrt herumzusitzen und auf eine Rettung zu hoffen, die vielleicht nie erfolgte.
Handschuhe. Sie müsste ihre Hände schützen. Sunny hatte keine Handschuhe. Aber sie hatte gesehen, welche Art Handschuhe beim Freeclimbing benutzt wurde – Finger und Daumen blieben frei.
Optimistisch öffnete Sunny den Erste-Hilfe-Kasten, holte zwei Verbandsrollen hervor und wickelte sie sich um die Handflächen. Nicht sehr elegant, aber es würde den Zweck erfüllen. Und wenn sie sich ein paar Blasen zuzog – das war ein geringer Preis im Vergleich zu der möglichen Freiheit.
Mit dem Messer in der Hand ging sie zurück zu der ausgewählten Stelle und überlegte, wie sie es am besten angehen könnte. Sie brauchte einen Stein, einen, der nicht zerbröckelte. Aufmerksam suchte sie den Boden ab und fand schließlich einen grauen Stein, etwa so groß wie eine Grapefruit. Er passte perfekt in ihre Hand und war solide genug für die Aufgabe.
Sunny setzte die Messerspitze an und benutzte den grauen Stein als Hammer. Die Klinge schob sich tiefer und tiefer in den weichen Sandstein. Dann riss Sunny das Messer wieder heraus und setzte ein Stückchen weiter rechts an. Beim nächsten Mal trieb sie die Klinge in einem rechten Winkel zu den beiden Einschnitten ein und drehte das Messer leicht. Ein Stück Sandsteinbrach heraus und hinterließ eine schöne kleine Spalte.
„Es könnte funktionieren.“ Sunny sprach es laut aus und machte sich an die Arbeit. Wie lange es dauern würde, passende Löcher, an denen man sich hochziehen konnte, in die gesamte Felswand zu schlagen, oder ob es überhaupt machbar war, daran dachte sie lieber nicht. Sie würde es versuchen, denn das war sie Margreta und sich selbst schuldig.
Ungefähr zwei Stunden später vibrierte der donnernde Hall eines Pistolenschusses durch den Canyon und erschreckte Sunny so sehr, dass sie fast gefallen wäre. Schwer atmend klammerte sie sich an den Felsen, die Wange an die raue Oberfläche gepresst. Ihr Herz hämmerte rasend. So hoch war sie noch gar nicht, vielleicht knapp über drei Meter, aber bei einem Sturz hätte sie sich auf dem mit Geröll bedeckten Grund bestimmt verletzt.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Temperatur stieg mit jeder Minute, der Fels wurde immer heißer. Mit den Zehenspitzen stand sie in den Mulden, die sie in das Gestein getrieben hatte, und lehnte sich an die Wand, denn sie brauchte beide Hände, um mit Messer und Stein hantieren zu können. Sie konnte auch nicht mehr so kraftvoll zuschlagen. Denn sonst würde sie sich mit dem Drall selbst von der Felswand stoßen.
Sie hob die Arme über den Kopf und schlug keuchend zu. Sehen konnte sie nichts, da sie sich an die Felswand pressen musste, um das Gleichgewicht zu halten. Manchmal traf sie den Messergriff und trieb die Klinge in das Gestein, dann wiederum jedoch traf sie ihre Hand. Es musste eine bessere Lösung geben, aber ihr fiel
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