Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
keine ein. Außerdem war sie Expertin darin, mit dem zu arbeiten, was sie hatte. Das würde sie auch dieses Mal tun. Sie musste nur vorsichtig sein … und geduldig.
„Ich werde es schaffen“, flüsterte sie vor sich hin.Chance trug das gehäutete und ausgenommene Kaninchen zurück zum Camp. Er hatte einen Feigenkaktus entdeckt und zwei Kaktusfeigen mitgenommen. Beim Säubern der schmack- und nahrhaften Früchte hatten sich die Dornen in seine Haut gebohrt.
Mittlerweile ärgerte er sich nicht mehr. Na schön, Sunny hatte ihn aus der Reserve gelockt. Den Plan hatte er damit jedoch nicht ruiniert. Er durfte sich nur nicht mehr von dem hübschen Gesicht täuschen lassen, das sie der Welt zeigte. Vielleicht konnte er sie nicht dazu bringen, ihn zu lieben, aber er konnte sie so manipulieren, dass sie es selbst glaubte. Mehr war nicht nötig. Ein bisschen Vertrauen, ein paar Informationen, und alles lief wie geschmiert.
Chance trat unter den Überhang, dankbar für den kühlenden Schatten, und nahm die Sonnenbrille ab. Er sah sich um, doch Sunny war nirgends zu entdecken. Das grüne T-Shirt und die beige Jeans bildeten ja auch nicht gerade einen auffallenden Kontrast zu den Farben des Canyons. Als ihm klar wurde, welch gute Tarnung ihre Kleidung bot, stutzte Chance. Hatte sie diese Farben bewusst gewählt? Ganz sicher. Alles, was sie in dieser Tasche bei sich trug, war genau durchdacht ausgewählt worden.
„Sunny!“
Die Felswände warfen das Echo zurück, der Ruf verstummte. Chance lauschte. Keine Antwort. Verflucht, wo steckte sie?
Das Feuer war erloschen, also hatte Sunny schon seit einiger Zeit kein Holz mehr nachgelegt. Chance ging in die Hocke, häufte ein paar Zweige auf und zog das Kaninchen auf den Spieß. Die letzte Glut reichte nicht, um den Braten zu rösten, aber der dünne Rauch würde dem Fleisch Aroma verleihen. Die beiden Kaktusfeigen wickelte Chance in sein Taschentuch und legte sie in den Schatten. Die würde er später grillen, wenn er das Feuer wieder entfacht hätte.
Erst jetzt bemerkte er die offene Erste-Hilfe-Kiste.
Der Schock fuhr ihm durch alle Glieder. Papier von Verbandspackungen lag abgerissen auf dem Boden, das Klebeband im Deckel. Noch ein Detail zog seinen Blick an – der Lockenstab war auseinandergeschraubt worden, die beiden Hälften lagen im Sand.
Chance fluchte laut. Er hätte sich denken können, dass die Pistole nicht die einzige Waffe war, die Sunny bei sich trug, und den Lockenstab bemerken müssen. Für eine Pistole reichte der Platz nicht, aber ein Messer … ein Messer passte genau hinein.
Blut war nirgendwo zu sehen, dennoch musste sie sich verletzt haben. Sonst bräuchte sie kein Verbandsmaterial. Und wo, zum Teufel, war sie?
„Sunny!“, brüllte er und trat hinaus in die Sonne. Stille war die einzige Antwort.
Chance suchte den Boden ab. Natürlich waren überall Fußspuren von ihr, aber er konnte erkennen, dass sie vor nicht allzu langer Zeit zu ihrer Tasche gegangen war – wohl um den Erste-Hilfe-Kasten herauszuholen – und dann hinaus in den Canyon, Richtung Flugzeug.
Dass er nach seiner Waffe griff, war ihm nicht bewusst. Es war eine so automatische Reaktion für ihn, dass ihm das Gewicht in seiner Hand nicht einmal auffiel. Leise folgte er den Spuren, nur den einen Gedanken im Kopf, Sunny zu finden.
Hätte sie keine Fußabdrücke hinterlassen, er wäre an der Stelle vorbeigelaufen. Fast am Ende des Canyons, weit hinter der Cessna fand er sie. Die Felswand wies überall Löcher auf, und Sunny hing, an die Felswand geklammert, gute vier Meter über dem Boden.
Verblüffung, Wut, Erleichterung und Ärger sammelten sich zu einer explosiven Mischung in Chance. In sprachloser Rage sah er zu, wie Sunny die Arme über den Kopf hob, um ein gefährlich aussehendes Messer in den weichen Stein zu treiben.Dazu benutzte sie einen anderen Stein … mit dem sie sich jetzt auf die Hand schlug. Der Fluch, den sie ausstieß, ließ Chance perplex die Augenbrauen anheben.
Ihre Hände waren verbunden. Er konnte nicht sagen, ob Sunny die Verbände angelegt hatte, weil ihre Hände Wunden trugen oder weil sie damit Verletzungen vermeiden wollte. Er wusste nur, dass Sunny sich bei einem Sturz auf jeden Fall ernsthaft verletzen würde. Und dass er unwahrscheinlich wütend auf sie war.
Mit eiserner Beherrschung unterdrückte er das übermächtige Bedürfnis zu brüllen. Das Letzte, was er wollte, war, sie so zu erschrecken, dass sie das bisschen Halt, das sie hatte, verlor.
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