Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
du nicht wissen.“ Chance hielt inne und tauchte in die Dunkelheit in seinem Innern ab. „Ich habe einen Mann getötet, da muss ich zehn, vielleicht elf gewesen sein“, hob er schließlich tonlos an. „Das ist das wilde Tier, das du in dein Haus geholt hast. Ich habe gelogen, gestohlen, andere Kinder überfallen, um mir von ihnen zu nehmen, was ich haben wollte. Das ist die Art Mensch, die ich bin. Dieser Mensch wird immer in mir le ben.“
Wolf musterte ihn scharf. „Wenn du mit zehn einen Mann getötet hast, dann wird er es verdient haben.“
„Ja, das hat er wirklich. Straßenkinder sind leichte Beute für solche Perverse.“ Chance ballte die Hände zu Fäusten. „Ich muss es Sunny sagen. Ich kann ihr keinen Heiratsantrag machen, ohne dass sie weiß, auf was sie sich einlässt. Sie muss wissen, welche Gene ich an ihre Kinder weitergebe.“ Er lachte hart auf. „Eigentlich weiß ich ja gar nicht, welche Gene ich vererbe. Ich habe doch keine Ahnung, woher ich komme. Vielleicht war meine Mutter eine drogenabhängige Prostituierte, die …“
„Schluss jetzt!“ Wolfs Stimme klang hart wie ein Peitschenhieb.
Abrupt sah Chance zu dem Mann hin, der der einzige Vater war, den er je gekannt hatte. Zu dem Mann, den er mehr respektierte als jeden anderen Menschen auf der Welt.
„Ich weiß nicht, wer dich geboren hat, mein Sohn. Aber ich kenne mich mit Vollblütern aus, und du bist eines. Weißt du, was ich am meisten in meinem Leben bedaure? Dass wir dich erst gefunden haben, als du schon vierzehn warst. Dass ich nichtfühlen durfte, wie deine kleine Babyhand sich bei deinen ersten Schritten um meinen Finger klammert. Dass ich nicht in der Nacht aufstehen und dich trösten konnte, als deine ersten Zähne kamen. Oder mich um dich kümmern konnte, wenn du krank warst. Dass ich dich nicht halten konnte, wie alle Kinder gehalten werden wollen. Als wir dich fanden, konnte ich das nicht mehr tun, denn da warst du schon zu alt und nervös wie ein scheuendes Fohlen. Du wolltest nicht berührt werden, und ich habe das respektieren müssen. Aber eines musst du wissen: Ich bin stolz auf dich, wie ich sonst auf nichts so stolz in meinem Leben bin. Du bist einer der besten Männer, die ich kenne. Um das zu erreichen, musstest du sehr viel härter an dir arbeiten als andere. Selbst wenn man alle Kinder der Welt zur Adoption vor mir aufgereiht hätte – ich hätte dennoch dich ausgesucht.“
Mit feuchten Augen blickte Chance starr seinen Vater an. Wolf Mackenzie legte die Arme um seinen erwachsenen Sohn und drückte ihn fest an sich. Das war etwas, das er seit Jahren hatte tun wollen.
„Ich hätte dich gewählt“, bestätigte er noch einmal.
Chance trat ins Schlafzimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Schon vor einiger Zeit hatte sich die Meute verabschiedet. Manche waren wieder nach Hause gefahren, andere blieben über Nacht bei Zane oder Michael. Sunny sah müde aus, aber ihre Wangen hatten ein wenig Farbe bekommen.
„Wie geht es dir?“, fragte Chance.
„Erschöpft“, antwortete sie und sah weg. „Besser.“
Er setzte sich zu ihr aufs Bett, sorgsam darauf achtend, dass sich dabei die Matratze nicht zu stark bewegte. „Ich habe dir ein paar Dinge zu sagen“, meinte er leise.
„Spar dir deine Erklärungen. Du hast mich benutzt. Fein. Aber verflucht sollst du sein, weil du es so weit getrieben hast! Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle? Ich bin einekomplette Närrin, mich in dich zu verlieben, während du nur ein Spiel gespielt hast! Hat das deinem Ego geschmeichelt? Zu wissen, dass ich …“
Er legte ihr die Hand auf den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. Ihre grauen Augen funkelten ihn voller Rage an. Chance atmete tief ein.
„Vorab das Wichtigste: Ich liebe dich. Das war nie ein Spiel. Ich habe mich vom ersten Augenblick an in dich verliebt. Ich wollte es nicht, habe versucht …“ Er brach ab und zuckte die Schultern, um zum Elementaren zurückzukehren. „Ich liebe dich so sehr, dass es mich zerreißt. Und ich weiß, dass ich nicht gut genug für dich bin.“
Erbost stieß Sunny seine Hand fort und sah ihn stirnrunzelnd an. „Was? Ich meine, ich stimme dir völlig zu, nach dem, was du getan hast. Aber … was willst du damit sagen?“
Er nahm ihre Hand und war unendlich erleichtert, als sie sie nicht sofort zurückzog. „Ich wurde adoptiert. So weit ist ja noch alles in Ordnung. Aber ich weiß nicht, wer meine leiblichen Eltern sind. Ich weiß überhaupt nichts über sie.
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