Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
wieder ein. Gestern hatte sie die Mittagsnachrichten im Fernsehen verfolgt, und sie musste die Flanellweste, die sie sonst stets trug, gegen die Daunenjacke getauscht haben. Jetzt war Maris froh darüber.
Sie ließ den Blick schweifen, als sie das Motelzimmer verließen. Auf der rechten Seite befanden sich die Rezeption und die Bundesstraße. Mit einer Hand an ihrem Ellbogen lenkte MacNeil sie nach links und führte sie zu einem Truck, auf dem Frost lag.
„Warte einen Moment.“ Er ging zur Fahrerseite, schloss die Tür auf und beugte sich in den Innenraum. Maris hörte das leise metallene Klappern von Schlüsseln, dann sprang der Motor an. Ihr fiel auf, dass die Innenbeleuchtung nicht aufgeflammt war, als MacNeil die Tür aufgezogen hatte. Um dieses Detail hatte er sich also schon vorher gekümmert.
Innenbeleuchtung. Als MacNeil die Tür leise wieder einschnappen ließ und das Neonlicht der Motelreklame sein Gesicht beschien und Schatten auf seine Züge warf, wurde jäh ein Fenster in Maris’ Gedankenwelt aufgestoßen.
Sie erinnerte sich daran, wie grimmig seine Miene im schwachen grünen Licht des Armaturenbretts ausgesehen hatte, als er gestern Abend den Truck fuhr.
An ihre verzweifelte Angst erinnerte sie sich, mit der sie ihren Zustand unbedingt vor ihm hatte geheim halten wollen.Sie durfte ihn nicht wissen lassen, wie schlecht es ihr ging, wie schlimm es in ihrem Kopf dröhnte, wie schwach und verletzlich sie war. Geredet hatte er nicht viel. MacNeil hatte nur schweigend den Truck gelenkt, dennoch hatte sie die Anziehungskraft zwischen ihnen wie eine summende Hochspannungsleitung gespürt. Wenn sie auch nur die kleinste Schwäche zeigte, würde er sich auf sie stürzen. Deshalb war er mitgekommen, nicht etwa, weil er sich um Sole Pleasure sorgte.
Das Denken fiel ihr schwer, der Schlag auf den Kopf hatte sie verwirrt. Sie machte sich verzweifelte Sorgen um Pleasure. Um jeden Preis wollte sie den Hengst in Sicherheit bringen, jedoch wusste sie nicht, ob sie MacNeil trauen konnte. Sie war ein großes Risiko eingegangen, als sie ihn um Hilfe gebeten hatte. Danach war sie durch die Gehirnerschütterung und die Intensität der eigenen Sinnlichkeit zu sehr aus der Bahn geworfen worden, um noch klar zu denken.
Sie war genau in der Situation gelandet, vor der sie solche Angst gehabt hatte – mit ihm in einem Bett. Und er hatte ihr absolut nichts getan … außer, dass sie sich in ihn verliebt hatte.
„Komm“, unterbrach MacNeil jetzt leise ihre Gedanken, ohne sie anzusehen. Stattdessen ließ er den Blick unaufhörlich über die Gegend schweifen.
Es war noch früh am Morgen und dunkel. Der Atem vor ihren Mündern zeichnete sich weiß in der kalten Luft ab. Kein einziger Stern war am Himmel zu entdecken, und als die ersten weißen Flocken herunterschwebten, wusste Maris auch, warum. Ein eisiger Wind wehte um ihre Beine.
MacNeil führte sie weiter über den Parkplatz zu einem unauffälligen Oldsmobile, der neben einem alten Volvo Kombi parkte. Um ihren Kopf nicht unnötig zu bewegen, machte Maris vorsichtige Schritte. MacNeil zog die hintere Tür des Wagens auf, schob Maris hinein und setzte sich selbst vorn auf den Beifahrersitz neben seinen Partner.
Dean Pearsall sah genauso aus, wie MacNeil ihn beschrieben hatte – dünn und dunkel, mit hoher Stirn, weil das Haar sich lichtete. Und er war völlig baff. „Was soll das denn jetzt?“
Kurz erklärte MacNeil seinen Plan. Pearsall drehte abrupt den Kopf zu Maris um und musterte sie kritisch. Die Zweifel waren auf seinem Gesicht deutlich zu erkennen.
„Ich schaffe das“, kam sie ihm zuvor, bevor Pearsall seine Bedenken äußern konnte.
„Wir müssen uns beeilen“, ermahnte MacNeil seinen Partner. „Du musst die Videokamera aufbauen.“
„Gut, aber es wird verdammt knapp werden“, wandte Pearsall ein.
„Dann sollten wir keine Minute verschwenden.“ MacNeil ließ das Handschuhfach aufschnappen und zog ein Waffenhalfter heraus. Er prüfte die Waffe, steckte sie zurück in das Halfter und reichte beides Maris. „38er Kaliber, fünf Schuss, eine Kugel im Lauf.“
Maris nickte und prüfte den Revolver selbst. Ein dünnes Lächeln spielte um MacNeils Lippen, als er ihr dabei zusah. Nein, sie hatte nicht übertrieben, sie kannte sich mit Waffen aus.
„Neben dir auf dem Sitz liegt eine Schutzweste. Sie wird dir zu groß sein, aber zieh sie trotzdem an“, ordnete er an.
„Das ist doch deine Weste“, warf Pearsall ein.
„Stimmt. Und sie wird sie
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