Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
den Fingern durch das vom Wind zerzauste Haar, dann kickte er den Ständer nach unten und stellte die schwere Harley vorsichtig ab. Aus der Satteltasche zog Chance eine dünne Aktenmappe und stieg die Stufen zu der breiten, schattigen Veranda hinauf.
Es war ein warmer Sommertag im August, der Himmel spannte sich wolkenlos blau bis zum Horizont. Pferde grasten friedlich auf den Weiden, einige von ihnen waren an den Zaun getrabt, um die laute Maschine neugierig zu beäugen. Um Barries Blumen summten Bienen, und Vögel zwitscherten in den Bäumen. Wyoming. Zu Hause. Sein Zuhause war nicht mehr weit entfernt. Mackenzie’s Mountain, mit dem großen Haus, wo ihm ein neues Leben und alles andere gegeben wurde, das ihm wichtig war.
„Die Tür ist offen.“ Zanes tiefe Stimme drang aus dem Lautsprecher der Sprechanlage. „Ich bin im Arbeitszimmer.“
Chance schob die Tür auf und trat ein, seine Schritte in den schweren Motorradstiefeln lautlos, als er über den Korridor zu Zanes Arbeitszimmer ging. Hinter ihm rastete das Schloss mit einem leisen Klicken wieder ein. Im Haus war es still, was bedeutete, dass Barrie und die Kinder nicht hier waren. Wäre Nick im Haus, würde sie auf ihn zugestürzt kommen und sich in seine Arme werfen, pausenlos auf ihn einplappern und dabei sein Gesicht mit ihren beiden Patschehändchen festhalten, damit sie auch ja seine volle Aufmerksamkeit hatte – als wenn er es wagen würde, sich nicht voll auf sie zu konzentrieren. Nick war wie ein Behälter mit Nitroglyzerin, es war klüger, sie immer im Auge zu behalten.
Seltsamerweise war die Tür zu Zanes Arbeitszimmer geschlossen. Chance stutzte einen Moment, dann trat er, ohne anzuklopfen, ein.
Hinter seinem Schreibtisch saß Zane am Computer. Das Fenster war weit geöffnet und ließ die warme Sommerluft herein.Er lächelte seinem Bruder zu. „Pass auf, wo du hintrittst. Zwerge im Gelände.“
Sofort suchte Chance mit seinem Blick den Boden ab, doch die Zwillinge waren nirgends zu entdecken. „Wo?“
Zane lehnte sich mit dem Stuhl zurück und hielt ebenfalls Ausschau nach seinen Sprösslingen. „Unter dem Schreibtisch“, sagte er kurz darauf. „Als sie dich gehört haben, sind sie in Deckung gegangen.“
Chance hob eine Augenbraue. Seines Wissens versteckten sich die Zwillinge vor nichts und niemandem. Er sah genauer hin und entdeckte vier pummelige Babyhände, die unter Zanes Schreibtisch hervorlugten. „Sie sind nicht sehr gut im Verstecken“, bemerkte er. „Ich kann ihre Finger sehen.“
„Nun lass sie doch, sie sind noch neu im Geschäft. Sie haben erst diese Woche damit angefangen. Sie spielen ‚Attacke‘.“
„Attacke?“ Chance unterdrückte das Lachen. „Und was muss ich jetzt tun?“
„Bleib einfach stehen. Sie werden aus ihrem Versteck stürzen, so schnell sie krabbeln können, und dich bei den Fußknöcheln packen.“
„Beißen sie?“
„Noch nicht.“
„Na schön. Und was machen sie mit mir, wenn sie mich geschnappt haben?“
„So weit sind sie noch nicht. Noch ziehen sie sich nur an dir hoch und lachen breit.“ Zane kratzte sich nachdenklich das Kinn. „Vielleicht setzen sie sich ja auf deine Füße, damit du dich nicht bewegen kannst, obwohl … das Stehen macht ihnen im Moment viel zu viel Spaß, sie haben keine Lust, sich hinzusetzen.“
Der Angriff kam überraschend, trotz der Warnung. Chance bewunderte die beiden. Sie waren erstaunlich leise. Und erstaunlich präzise. Zwei krabbelnde Babys kamen unter demSchreibtisch hervor, stürzten sich mit einem gleichzeitig ausgestoßenen triumphierenden Krähen auf seine Fußgelenke und klammerten sich an seiner Jeans fest. Der auf der linken Seite ließ sich auf seinen Fuß plumpsen, entschied sich dann für eine andere Taktik und drehte sich blitzschnell um, um sich aufzurichten. Babyarme umschlangen Chances Knie, und die beiden kleinen Eroberer lachten begeistert.
„Cool.“ Chance war hingerissen. „Kampfbabys.“ Er warf die Aktenmappe auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor, um die beiden Krieger in Windeln auf seine Arme zu heben. Cameron und Zack strahlten ihn an, beide mit den ersten vier Babyzähnchen in den identischen Gesichtern. Mit weichen Händen tasteten sie Chance das Gesicht ab, zogen an seinen Ohren, griffen in seine Hemdtaschen – der Angriff von zwei strampelnden, außergewöhnlich schweren Marshmallows.
„Grundgütiger“, entfuhr es ihm, „die beiden wiegen ja eine Tonne.“ Schon erstaunlich, wie schnell die beiden
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