Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
würde das wohl einige Zeit erfordern, aber er hatte vor, sie in eine Situation zu bringen, die alles andere als normal war. Ihr Leben und ihre Sicherheit würden allein von ihm abhängen.
Leicht erstaunt bemerkte er, dass sie das Gesicht nach vorn gerichtet hielt und so tat, als hätte sie seinen letzten Kommentar nicht gehört. Sollte er sich etwa geirrt haben und sie war doch nicht an ihm interessiert? Nein, sie hatte ihn ziemlich ungeniert gemustert. Seiner Erfahrung nach taten Frauen so etwas nur, wenn sie einen Mann attraktiv fanden.
Wirklich erstaunlich war allerdings, wie anziehend er sie fand. Damit hatte er nicht gerechnet. Aber die Chemie zwischen zwei Menschen war nun mal ein Dämon, der außerhalb der logischen Grenzen operierte. Dass sie hübsch war, mit strahlend grauen Augen und goldblondem schulterlangen Haar, hatte er gewusst, schließlich hatte er Fotos von ihr gesehen. Nur hatte er nicht ahnen können, wie unglaublich bezaubernd sie war.
Er warf einen Seitenblick auf sie, dieses Mal aus rein männlicher Neugier. Sie war durchschnittlich groß, vielleicht etwas schlanker als der Typ Frau, den er gewöhnlich bevorzugte. Sie war fast zierlich. Die Arme, die die helle, ärmellose Bluse freiließ, waren muskulös und leicht von der Sonne gebräunt. Ein Agent, der etwas auf sich hielt, war immer in körperlicher Topform, also würde sie mehr Kraft haben, als man ihr ansah. Ihregrazile Erscheinung täuschte wahrscheinlich so manchen.
Wilkins hatte sich jedenfalls täuschen lassen. Chance musste sich das Grinsen verkneifen. Während Sunny an den Schalter zurückgegangen war, um sich nach ihrem Flug zu erkundigen – der übrigens auf Chances Veranlassung annulliert worden war –, hatte Wilkins erzählt, wie sie ihn mit der Tasche fast umgehauen hätte. Diese Tasche musste eine Tonne wiegen. Inzwischen müssten Wilkins, „Miss Fayne“ und die beiden „Sicherheitsleute“ längst verschwunden sein. Die Leute von der echten Flughafenpolizei waren eingeweiht und angewiesen worden, sich für die Dauer des kleinen Schauspiels zurückzuhalten. Alles war wie am Schnürchen gelaufen, auch wenn Wilkins sich hinterher bitterböse beschwert hatte: „Erst bricht mir diese kleine Hexe mit ihrer Tasche fast den Arm, und dann drückst du mir dein Knie ins Kreuz.“
Was mochte diese Tasche enthalten? Sunny hatte sich nicht davon trennen wollen. Als lägen die Kronjuwelen darin. Er hatte dieses Ding ja nicht einmal tragen dürfen, als Sunny direkt neben ihm ging. Und nur äußerst unwillig hatte sie zugelassen, dass er die Tasche im Flugzeug verstaute. Erstaunt hatte er festgestellt, wie schwer sie war – viel zu schwer für eine Reisetasche mit einer Garnitur frischer Wäsche, selbst mit einer Menge Schminkutensilien und einem Fön. Die Tasche wog gute fünfundzwanzig Kilo, wenn nicht mehr. Nun, er würde bald herausfinden, was alles da drin war.
„Was hätten Sie mit dem Dieb angestellt, wenn Sie ihn erwischt hätten?“, fragte Chance, teils, um das Gespräch in Gang zu halten, teils aus Neugierde. Mit wild entschlossener Miene war Sunny hinter Wilkins hergejagt, wahrscheinlich würde sie immer noch rennen, wenn die Szene nicht zum Abschluss gebracht worden wäre.
„Weiß ich nicht“, antwortete sie düster. „Ich wusste nur, dass mir das nicht noch einmal passieren durfte.“
„Noch einmal?“ Sollte sie ihm tatsächlich freimütig von Chicago erzählen?
„Letzten Monat hat so ein Komiker mit grünen Haaren mir am Flughafen von Chicago den Koffer gestohlen.“ Verärgert schlug sie mit der Faust auf die Armlehne. „Das war das erste Mal überhaupt. Und dann gleich einen Monat später noch einmal? Sie hätten mich im hohen Bogen rausgeworfen. Wäre ich Chef, würde ich mich auch feuern.“
„In Chicago haben Sie den Typen nicht erwischt?“
„Nein. Ich stand an der Gepäckausgabe. Er hat sich den Koffer gegriffen und ist wie der Blitz weggerannt.“
„Und die Flughafensicherheit? Hat niemand ihn aufgehalten?“
Sunny sah ihn über den Rand der großen Sonnenbrille an. „Das fragen Sie im Ernst?“
Er lachte. „Nein, wahrscheinlich nicht.“
„Wäre mir noch ein Koffer abhanden gekommen, wäre das eine Katastrophe gewesen, sowohl für mich als auch für die Firma. So was macht sich nicht besonders gut.“
„Wissen Sie eigentlich, was Sie in den Koffern transportieren?“
„Nein, und ich will es auch gar nicht wissen. Ist auch egal. Vielleicht schickt einer ein Kilo Salami an seinen
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