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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und ließ die Blicke über die Menschen schweifen, die in der Halle den Friedensschluss und den Abzug der Angreifer feierten.
    Zu seiner Rechten saßen der Bischof von Merseburg, der Pater von Sankt Nikolai, Heinrich von Eckartsberga und Norbert von Weißenfels, zu seiner Linken Clara, Thomas, Raimund und Elisabeth.
    Marthe war bei Lukas geblieben; es gab immer noch keine erfreulichen Neuigkeiten über den Zustand des Verletzten.
    Bald ließ sich der Bischof entschuldigen; er sei ein alter Mann und der Tag für ihn nach dem Ritt hierher und der Zeremonie sehr anstrengend gewesen.
    Also hob Dietrich die Tafel auf. Elisabeth hatte angekündigt, Marthe bei Lukas’ Pflege ablösen zu wollen, damit die Ärmste etwas Schlaf fand, und verabschiedete sich ebenfalls. Thomas und Raimund vertieften sich in ein leises Gespräch, bei dem es ihren düsteren Mienen nach nur um die Geschehnisse während des Kriegszuges ins Heilige Land gehen konnte. Von ihrer Umgebung schienen sie nichts mehr wahrzunehmen.
    Norbert und der thüringische Marschall beschlossen, gemeinsam noch einmal nach den Verwundeten zu sehen. Clara hatte unmittelbar vor dem Festmahl berichtet, dass mit Gottes Hilfe alle überleben würden, die sich jetzt noch im Krankenlager befanden, sofern nicht jemand Wundbrand bekam.
    Es war das erste Mal überhaupt an diesem Tag gewesen, dass Dietrich sie sah. Statt des blutverschmierten, zerknitterten schlichten Kleides trug sie nun zur Feier des Tages ihr bestes Gewand: grün mit weiten Ärmeln und verschlungenen gestickten Blumenranken an den Kanten und am Halsausschnitt. Sie wirkte erschöpft und hatte kaum etwas gegessen. In sich gekehrt saß sie an seiner Seite und starrte geradeaus. Kein Wunder angesichts dessen, dass ich mich mit einer anderen verloben musste, dachte Dietrich, mit dem Schicksal hadernd.
    Da sich Clara offenkundig unwohl neben ihm fühlte, war es sicher am besten, diese Situation zu beenden, statt sie weiterhin den Blicken aller auszusetzen.
    »Ihr seid müde nach der vielen Arbeit in den letzten Tagen. Wünscht Ihr, dass ich Euch in Eure Kammer geleiten lasse?«, bot er höflich an.
    Wie aus einer Erstarrung erwachend, wandte sich Clara ihm zu. Doch sie sah ihm nur ganz kurz in die Augen, dann richtete sie den Blick auf die Naht über seiner Augenbraue, die im Verlauf des Tages immer stärker zu pulsieren begonnen hatte.
    »Eure Wunde fängt an zu eitern. Ich muss heute noch einen Faden herausziehen, sonst ist morgen Euer Auge zugeschwollen«, sagte sie.
    Sie hatte es vorhin schon bemerkt und gewusst, dass sie die Angelegenheit nicht länger hinauszögern konnte.
    Dietrich spürte, dass ihre Worte sie Überwindung kosteten.
    »Bringen wir es hinter uns«, erwiderte er so förmlich, wie es nur ging. »Was benötigt Ihr?«
    »Sauberes Leinen, heißes und kaltes Wasser und meinen Korb mit den Tinkturen.«
    Dietrich befahl einem der Knappen, die hinter der Tafel standen und die Gäste bedienten, sofort alles herbeizuschaffen, was die Herrin von Reinhardsberg für die Behandlung seiner Wunde benötigte. Der Knappe verneigte sich und lief los; wenig später kehrte er mit dem Geforderten zurück. Das heiße Wasser werde aus der Küche in das Gemach des Grafen gebracht.
    Dietrich erhob sich und gab bekannt, dass weiterhin gefeiert werden dürfe, während er seine Verletzung versorgen ließ.
    Männer wie Frauen in der Halle standen auf und verneigten sich, als ihr Herr den Saal verließ, gefolgt von einem reichlich beladenen Knappen und der heilkundigen Schwester seines Ritters.
    In der Kammer angekommen, stellte der Junge den Eimer und Korb ab, legte die Leinenbahnen auf den Tisch und entzündete eine Kerze. Eine Schüssel mit heißem Wasser stand bereits auf der Bank.
    Clara bat um eine weitere Kerze, die sie in die Hand nahm und dicht vor Dietrichs Gesicht hielt. Sie bewegte sie vorsichtig auf und ab, um so viel wie möglich zu sehen, in Gedanken schon bei den nächsten Arbeitsschritten. Ihre Beklommenheit und Müdigkeit waren gewichen, jetzt sah sie offenbar nur noch eine Wunde, die behandelt werden musste.
    »Hoheit, bitte setzt Euch und haltet diese Kerze!«, sagte sie und reichte ihm das Licht. Der Knappe war gegangen; sicher würde er inzwischen Norbert Bescheid geben, damit dieser ein paar Leibwachen auf dem Gang postierte.
    Clara tauchte die Hände in den Eimer mit dem kalten Wasser und suchte aus ihrem Korb ein sehr schmales Messer, das in weißes Leinen gehüllt war.
    »Etwas höher«, bat sie und

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