Der Traum der Hebamme / Roman
bedurfte keiner Worte zwischen ihnen.
Sie liebten sich noch mehrmals in dieser Nacht, lange und jede Berührung auskostend. Sie erkundeten, welche Zärtlichkeiten dem anderen am meisten gefielen. Dietrich sog an ihren Brüsten, ließ seine Zunge um die Spitzen kreisen, liebkoste ihren Leib, ihre Schenkel, dann drehte er sie auf den Bauch und küsste ihre Wirbel vom Hals herab den ganzen Rücken entlang. Er verwöhnte sie mit seinen Lippen, seiner Zunge, seinen Fingerspitzen, mal leidenschaftlich, mal so zart, dass sie die Berührung kaum spürte und ihr Körper trotzdem erbebte.
Und Clara fand schnell heraus, welche ihrer Berührungen ihn am meisten erregten.
Sie schienen nicht genug voneinander bekommen zu können.
»Du machst mich unendlich glücklich«, sagte er irgendwann in dieser Nacht, als er aufstand, um die fast niedergebrannte Kerze durch eine neue zu ersetzen. Auch wenn ein wenig Sternenlicht durch die Fensteröffnung fiel – er wollte sie sehen, ihren schönen Körper und den hingebungsvollen Ausdruck auf ihrem Gesicht.
»Und Ihr macht mich so glücklich, wie ich es noch nie war«, sagte sie. »Ich könnte weinen vor Freude …«
Tränen rannen ihr aus den Augenwinkeln, so überwältigt von Gefühlen war sie. Sie fühlte sich geborgen wie nirgendwo sonst, wenn sie still an seiner Seite lag und er sie mit seinen Armen umfasst hielt. Und wenn er voller Kraft in sie drang, glaubte sie, vor Glück vergehen zu müssen. Es gab keine Worte, keinen Namen für diese Empfindung.
Dietrich stellte die Kerze ab, mit der er über ihr Gesicht geleuchtet hatte, legte seine Hand auf ihre Wange und wischte die Tränen aus ihrem Augenwinkel.
»Clara, Liebste, ich möchte nicht, dass du mich so förmlich ansprichst, wenn wir untereinander sind«, sagte er zärtlich.
Sie schluckte. »Das ist der einzige Wunsch, den ich Euch nicht erfüllen kann«, antwortete sie leise.
In Gedanken sprach sie ihn längst mit dem Du an. Laut konnte sie es nicht. Sie durfte nie vergessen, welches ihr Platz war und dass zwischen seinem und ihrem Stand ein unüberwindlicher Graben lag.
»Es ist besser so. Das soll uns daran erinnern, dass es nur geborgtes Glück ist. Nur für eine bestimmte Zeit«, erklärte sie, als sie sah, dass sich seine Miene verfinsterte.
Dietrich wollte etwas sagen, doch er hielt sich zurück. Ihm stand jetzt nicht der Sinn nach solchen Disputen. Er würde später darauf zurückkommen, wenn sie etwas vertrauter miteinander waren.
Doch wie viel vertrauter als jetzt konnten sie noch werden, da sie doch die ganze Nacht lang die innigsten Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten?
»Ich bin hier«, sagte sie leise mahnend, und er wusste sofort, was sie damit meinte:
Noch
war sie hier. Noch durfte sie bei ihm liegen. Die Zeit, die ihnen miteinander vergönnt war, verrann unweigerlich, kaum dass sie zueinandergefunden hatten. Er sollte sie besser nutzen, statt zu grübeln.
Die Sterne verblassten schon, die durch den Fensterspalt in seine Kammer leuchteten. Er löschte die Kerze und legte sich wieder zu ihr ins Bett.
»Schlaf jetzt, Liebste«, raunte er ihr ins Ohr und umschloss sie mit seinen Armen. Sie schmiegte sich an ihn, und nun forderten die Anstrengungen der letzten Tage und die durchwachte Nacht ihren Tribut. Von einem Augenblick auf den anderen schlief Clara ein.
Dietrich lag neben ihr, lauschte ihrem kaum hörbaren Atem und betrachtete sie im matten Licht der anbrechenden Dämmerung.
Er hatte schon viele Nächte durchwacht, im Krieg, auf Feldzügen oder im Gebet. Jetzt wachte er über die Frau, die er liebte. Er wollte keinen Augenblick versäumen, um ihren Anblick zu genießen. Und er grübelte darüber nach, wie er sie schützen und die ihnen bemessene Zeit verlängern konnte.
Am nächsten Morgen
C lara erwachte durch ein Klopfen – und die Stimme Graf Dietrichs, der an der Tür mit einem der Diener sprach.
Noch verschlafen in die fahle Herbstsonne blinzelnd, die durch das schmale Fenster schien, brauchte sie einen winzigen Augenblick, um zu begreifen, wo sie sich befand … und was geschehen war.
Zu ihrem Erstaunen war Dietrich bereits vollständig angekleidet. Er schloss die Tür wieder, drehte sich um und betrachtete sie lächelnd.
Sie hatte hier bis in den Tag hinein geschlafen! Ihre Kleider lagen auf dem Boden, Schleier und Schapel auf dem Tisch. Zum Glück war ihre Tochter es in den letzten Tagen gewohnt, dass die Mutter nicht bei ihr saß, wenn sie aufwachte, und bei Lisbeth gut
Weitere Kostenlose Bücher