Der Traum der Hebamme / Roman
die Hände auf den Gürtel gelegt. Er trug volle Rüstung, abgesehen von Kettenhaube und Helm. Das Kettenhemd über dem Gambeson und der dicke, mit Fell gefütterte Tasselmantel ließen seine Schultern doppelt breit und seine ganze Erscheinung übermächtig wirken.
Den eingeschüchterten Stadtbewohnern wurde immer schrecklicher zumute. Jedes Strafgericht, das der Markgraf hier hielt, endete blutig oder damit, dass er gewaltige Mengen Silbers forderte.
Nach schier endlosem Schweigen drehte sich Albrecht um, ging zwei Schritte und nahm auf dem thronartigen Stuhl Platz, der in der Mitte des Podestes stand. Er legte sein Schwert auf die Knie und zog sich den Umhang zurecht.
Vorsichtig riskierten es einige, die Köpfe zu heben.
»Ich bin schwer enttäuscht von den Menschen dieser Stadt«, begann Albrecht mit rauher, unerwartet leiser Stimme und vorwurfsvollem Blick. »Habe ich Freiberg nicht immer gefördert und der Stadt meinen Schutz gewährt, war ich euch als meinen Untertanen nicht stets ein guter Fürst?«
Niemand wagte, etwas darauf zu antworten. Jedes Wort konnte Unheil nach sich ziehen. Albrecht war unberechenbar in seinen Launen, und seine heutige Stimmung signalisierte höchste Gefahr.
Nun hieb er wütend auf die Kante seines Stuhles und schrie: »Und ihr! Statt mir treu als meine Untertanen zu dienen, mir, dem von Gott auserwählten Herrscher über dieses Land und seine Bewohner! Ihr habt euch in Verrat geübt und euch gegen euren gottgewollten Fürsten gewandt!«
Der Zornesausbruch verhallte und hinterließ Wellen von Angst.
Allen Mut zusammenraffend, wollte der Bürgermeister, ein Silberschmied namens Liudolf, etwas sagen und hob flehend die Hände, doch Albrecht ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Schweig!«, brüllte er ihn an.
Der Bürgermeister fuhr zusammen und blieb stumm.
Die Freiberger tauschten insgeheim irritierte Blicke. Von welchem Verrat war hier die Rede?
»Schmählich verraten!«, wiederholte Albrecht und schüttelte den Kopf in gespielter Fassungslosigkeit. Dann richtete er sich in seinem Stuhl auf und verkündete: »Zur Sühne wird mir die Stadt binnen drei Tagen tausend Mark Silber zahlen. Und ab sofort erhebe ich doppelte Abgaben von jedem freien Bürger.«
»Aber Hoheit, das können wir nie und nimmer aufbringen! Habt Gnade mit uns«, rief händeringend eine dicke Krämerin, die für ihr Mundwerk bekannt war.
»Bringt sie her und hängt sie auf!«, befahl Elmar zweien der Wachen.
Entsetzt sahen die Menschen zu, wie die zwei Bewaffneten die um Hilfe schreiende Krämerin packten, aus der Menge zerrten und vor Elmar zu Boden warfen.
»Gnade, edler Herr!«, flehte sie und wollte seine Füße umfassen. »Ich habe doch nichts getan!«
»Du hast ohne Erlaubnis deinen Fürsten angesprochen. Und dich sogar erdreistet, ihm zu widersprechen!«, rief Elmar so laut, dass jeder ihn hören konnte. Grob stieß er die Frau mit dem Fuß weg. Wimmernd kroch sie ein kleines Stück, dann zerrten die Wachen sie hoch und warfen ihr einen Strick um den Hals.
»Gnade! Herr im Himmel, hilf!«, kreischte die Krämerin. Doch sosehr sie sich auch wehrte, die Männer packten sie bei den Armen und schleiften sie unter einen Balken.
Jedermann blickte zu Albrecht, der das Geschehen verfolgte, ohne eine Miene zu verziehen.
»Sie soll hängen!«, befahl er gleichgültig und lehnte sich zurück.
Schluchzend und in aller Eile die für zum Tode Verurteilte geschriebenen Gebete murmelnd, ließ sich die Krämerin von blanken Schwertern die Leiter hochtreiben. Sie hatte die noch nicht zu Ende gesprochen, als schon einer der Männer die Leiter wegtrat. Es knackte, dann pendelte der schwere Körper der Krämerin hin und her.
Niemand schien den Blick davon losreißen zu können.
Aber dass niemand es wagte, ein Gebet für ihre Seele zu flüstern oder sich auch nur zu bekreuzigen, sprach Bände. Die ganze Stadt war in Angst erstarrt.
Und da stand ja auch noch der Stallmeister am Pfahl.
Was hatte Albrecht mit ihm vor? Was warf er ihm überhaupt vor?
»Das Sühnegeld werdet ihr binnen einer Woche beim Burgvogt abliefern«, gab Albrecht bekannt. »Ohne Ausflüchte! Sonst lasse ich meine Männer eure Truhen durchwühlen und den dreifachen Preis erheben. Wo das Volk so feist werden kann wie die da, kann keine Not herrschen.« Verächtlich wies er mit dem Kopf auf den Leichnam der Krämerin.
»Da es mir die Bürger der Stadt an Treue fehlen lassen, fordere ich ab sofort doppelte Abgaben. Der Bürgermeister und die
Weitere Kostenlose Bücher