Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
hatte, Marthe sei tot, da konnte er nicht anders als den Liebenden verzeihen.
    Jeden Tag konnte ein Leben jäh zu Ende sein. Plötzlich erschien es ihm die schlimmere Sünde, einer solch tiefen, ehrlichen Liebe zu entsagen, und er hoffte, Gott würde das auch so sehen.
    Marthe hatte recht. Warum nur auf den Tag warten, an dem Dietrich Jutta von Thüringen heiraten und Clara die Weißenfelser Burg verlassen musste? Es würde ihr das Herz brechen, dessen war sich Lukas sicher. Aber niemand wusste, ob dieser Tag jemals kam, ob sie alle überhaupt so lange lebten. Sollen sie ihr Glück genießen, so lange es ihnen vergönnt war. Dietrich würde für Clara und ihre Kinder sorgen.
    Im Innersten zutiefst bewegt, trat Lukas näher und räusperte sich. »Gott segne dich, Tochter. Dich und deinen Sohn. Gott segne euch alle drei!«
     
    Niemand schien Thomas zu bemerken, als er wenig später die Wöchnerinnenkammer betrat. Alle hier wirkten glücklich und sehr beschäftigt: Clara und Dietrich mit dem Neugeborenen, seine Mutter und Lukas miteinander.
    Thomas war froh und erleichtert, dass seine Schwester noch lebte, wenngleich sie sehr blass aussah, mit tief umschatteten Augen und schmal gewordenem Gesicht, auf dem sich noch ein paar rote Flecken vom Pressen abzeichneten.
    Doch es drückte ihm das Herz ab, die Menschen so glücklich zu sehen, die ihm von allen am meisten bedeuteten. Er konnte es kaum ertragen. Nicht aus Neid, sondern weil er glaubte, selbst niemals solches Glück empfinden zu können.
    Rasch, bevor ihn jemand sah, ging er wieder hinaus, hinunter zu den Ställen, und vergrub sein Gesicht an Dragos Hals. Wenn selbst so viel Glück die Bitternis und Finsternis nicht auslöschen konnte, die ihn erfüllten, die Bilder vom Sterben seiner Gefährten im Heiligen Land nicht vertrieb – gab es dann überhaupt noch Heilung für ihn?
    Es hätte ihn erleichtert, jetzt im Verborgenen weinen zu können. Aber er hatte keine Tränen. Dafür saß sein Schmerz viel zu tief.
     
    Der Graf von Weißenfels ließ die Glocke läuten, um die Geburt seines Sohnes bekanntzugeben. Pater Ansbert hatte den Jungen auf den Namen Dietrich getauft.
    Im Verlauf des Tages trafen diejenigen seiner Ritter ein, die er mit Land belehnt hatte, darunter Raimund mit seiner Frau Elisabeth, überbrachten Geschenke und Segenswünsche. Dietrich verkündete, am nächsten Tag ein Fest auszurichten, zu dem jeder Weißenfelser eingeladen sei.
    Marthe und Elisabeth nahmen die Festvorbereitungen in die Hand. Dietrich verließ sich vollkommen auf sie und verbrachte die meiste Zeit an Claras Bett, betrachtete sie und seinen Sohn, während sie schlief, als sie Änne ermutigte, ihrem kleinen Bruder über den dunklen Flaum auf dem Kopf zu streichen, und als sie den Säugling stillte. Er war erstaunt darüber, dass sie dies tun wollte; es war nicht üblich bei Edeldamen, eine Amme stand schon bereit. Aber Clara erklärte, sie und ihre Mutter seien der Überzeugung, es sei nicht gut für ein Neugeborenes, wenn es von einer fremden Frau gestillt würde, und womöglich würde die Milch nicht reichen, wenn die Amme zwei Kinder ernähren musste.
    Auch in dieser Hinsicht vertraute er Marthe. Seit seiner Kindheit hatte er immer wieder erlebt, wie sie mit sehr ungewöhnlichen Methoden statt dem üblichen Aderlass Kranke heilte. Und als er das innige Bild in sich aufsog, das die stillende Mutter bot, verflog sein letzter Zweifel. Wie eine Madonna, dachte er bewegt und fragte sich, ob er überhaupt noch glücklicher sein könnte als in diesem Augenblick.
    Es klopfte, Norbert von Weißenfels rief durch die Tür leise nach ihm.
    Dietrich stand auf und ging hinaus, um seinen neugeborenen Sohn nicht beim Einschlafen zu stören. Welche Sorgen oder Unruhen Norbert auch bringen mochte, nichts davon sollte in diese Kammer dringen.
    Draußen sah er schon am Gesichtsausdruck seines Burghauptmanns, dass etwas passiert sein musste.
    »Heinrich von Eckartsberga ist gekommen – mit schlechten Neuigkeiten«, berichtete Norbert verhalten.
    Dietrich wappnete sich und wies an, den thüringischen Marschall in seiner Kammer führen zu lassen.
     
    Allein der Umstand, dass der Landgraf von Thüringen seinen obersten militärischen Anführer geschickt hatte statt einfach nur einen zuverlässigen Boten, verhieß Beunruhigendes.
    Der weißbärtige Kämpe kam auch gleich zur Sache, nachdem er dem Grafen seinen Respekt bezeugt hatte. »Euer Bruder plant, meinen Fürsten, Landgraf Hermann, einer

Weitere Kostenlose Bücher