Der Traum der Hebamme / Roman
Niesen.
Nun richtete sich Heinrich auf und gab seinem Schenken den Wink, ihm den Becher nachzufüllen.
»Der Markgraf von Meißen wünscht, uns etwas zur Kenntnis zu bringen, das die Sicherheit des Reiches und unserer Person betrifft«, erteilte er Albrecht das Wort. Sein gelangweilter Tonfall ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass dieser sich kurzzufassen habe.
Der Kaiser hielt die Anklage für erfunden, für einen plumpen Rachezug des Wettiners nach einer verlorenen Belagerung, auch wenn er wusste, dass Hermann ihm immer noch grollte wegen seines Versuchs, Thüringen als Reichslehen einzuziehen.
Aber es interessierte ihn zu sehen, wohin diese Sache führte.
Natürlich wusste Heinrich auch, dass es kein Zufall war, wenn diesmal beide wettinischen Brüder angereist waren, obwohl sie demonstrativ Abstand voneinander hielten. Der Jüngere, der Weißenfelser, stand neben Landgraf Hermann, Albrecht an der Seite seines Vetters Konrad, des Fürsten der Ostmark. Ebenso wusste der Kaiser, dass die Söhne des alten Markgrafen Otto seit langem zutiefst verfeindet waren und dass Albrecht den Jüngeren angegriffen hatte, gleich nachdem dieser aus dem Heiligen Land zurückgekehrt war.
Nun, das kann ich ihm nicht einmal öffentlich vorwerfen, da ich selbst die Gefangennahme eines Wallfahrers plane, noch dazu eines königlichen, dachte Heinrich zynisch. Andererseits – ich bin der Kaiser. Für mich gelten andere Regeln.
In Heinrichs Jugend hatte der jetzige Markgraf von Meißen ihm bei Hofe gute Dienste geleistet. Zudem imponierte dem Kaiser die Entschlossenheit, mit der Albrecht seinen greisen Vater gefangen genommen hatte, um sich das Erbe zu sichern. Doch nun war es wohl an der Zeit, ihn etwas an die Kandare zu nehmen. Man würde sehen, wie lange er ihm noch von Nutzen sein konnte.
Ein blutiger Streit zwischen den verfeindeten Brüdern könnte ihm die Mark Meißen zuspielen – vorausgesetzt, Albrechts Weib gebar keinen Erben. Aber dafür sorgte schon dieser Alchimist, den der Wettiner in seine Dienste genommen hatte, ohne zu ahnen,
wer
ihn nach Meißen geschickt hatte und in wessen Auftrag er wirklich arbeitete. Der Magister machte seine Sache gut. Sophia von Böhmen hatte kein Kind mehr ausgetragen, seit Heinrich Kaiser geworden war und sich um dieses spezielle meißnische Problem kümmerte. Denn die Gebräue, die der alte Giftmischer der Böhmin im Auftrag des Kaisers verabreichte, förderten nicht ihre Fruchtbarkeit, wie Albrecht glaubte, sondern bewirkten, dass die Leibesfrucht abgestoßen wurde.
Und sollte in diesem Streit auch noch Hermann von Thüringen fallen – nun, dessen Land lockte nicht weniger als die Markgrafschaft mit den reichen Silberbergwerken, und beides würde sich vorzüglich an das Pleißenland als Königsterritorium angliedern lassen.
Albrecht trat zwei Schritte vor, spreizte sich und verkündete im vollen Bewusstsein der Wirkung, die seine Worte hervorrufen würden: »Majestät, ich klage den Landgrafen von Thüringen an, eine Verschwörung zu Eurer Ermordung zu betreiben!«
Dabei streckte er die Hand in übertriebener Pose gegen Hermann aus.
Dieser entgegnete sofort mit dröhnender Stimme: »Das ist eine Lüge!«
Nun trat er ebenfalls zwei Schritte vor, noch bevor der Kaiser etwas sagen konnte, und sank vor ihm auf ein Knie.
»Eure Majestät, ich bin bereit, auf das Kreuz oder die Heilige Schrift zu schwören, dass ich weder an einer Verschwörung beteiligt bin, um Euch zu ermorden, noch Kenntnis von solch einer Ungeheuerlichkeit habe. Gott ist mein Zeuge!«
Die Anspannung im Saal unter den Zeugen dieses Wortwechsels schien zum Greifen, auch wenn niemand ein Wort wagte. Jedermann starrte auf den Kaiser. Wie würde er entscheiden?
War dies das Ende für den Thüringer? Oder für den Meißner?
Sich vollkommen dessen bewusst, dass alle auf seine Entscheidung warteten, sah Heinrich lauernd von Hermann zu Albrecht.
»Habt Ihr Beweise für eine dermaßen schwerwiegende Anschuldigung, Markgraf?«
Das war die Frage, die Albrecht gern vermieden hätte, denn trotz Elmars Bemühungen blieb dies leider der Schwachpunkt seiner Anklage. Aber es gab einen anderen Weg, und er war entschlossen, aufs Ganze zu gehen.
»Majestät, ich bin bereit, die Richtigkeit meiner Worte mit einem Gottesurteil unter Beweis zu stellen.«
Nun brandete ein unglaubliches Stimmengewirr im Saal auf. Ein Gottesurteil, ein Zweikampf zwischen zwei Reichsfürsten, von denen der Unterlegene an Ort und Stelle
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