Der Traum der Hebamme / Roman
Schwiegervater und Eure Braut begrüßen müssen. Danach kommt zu uns.«
Marthe hatte das Kind wieder in die Wiege gelegt und war gegangen. Die Amme wartete vor der Kammer, bis ihre Dienste benötigt wurden, und Dietrich wartete drinnen darauf, dass seine Liebste wach wurde.
Noch nie war sie ihm so schutzlos erschienen wie jetzt, noch nie hatte ihr Anblick ihn so gerührt und besorgt wie in diesen Momenten, in denen die Zeit stillzustehen schien.
So saß er schon, seit die Dämmerung heranzog. Nun stand er auf und entzündete eine Kerze.
Als Claras Lider flatterten, konnte er seine Ungeduld und das Verlangen, sie zu berühren, nicht länger bezwingen.
Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Wange. Sie war kalt – nicht heiß vom Fieber, aber so eiskalt, dass es ihn schon wieder sorgte.
Clara zuckte zusammen und öffnete die Lider. Ihr Blick verharrte für einen Augenblick auf seinem Gesicht, dann verschwamm ihr alles vor Augen, und sie starrte auf einen Punkt an ihm vorbei.
»Ihr solltet nicht hier sein!«, sagte sie zu Dietrichs Bestürzung.
»Ich möchte nirgendwo anders sein«, erwiderte er und griff nach ihren Händen, um sie zu umklammern und zu wärmen.
Sie entzog ihm ihre Hände so rasch, dass er es nicht wagte, sie erneut zu umfassen.
»Wir sollten uns beide damit abfinden, dass Gottes Wille uns jetzt trennt. Euch ist von nun an ein anderer Weg bestimmt. Das haben wir von Anfang an gewusst. Ihr habt die Schlacht gewonnen und Euer Land gerettet. Das ist es, was zählt.«
Sie sprach nicht aus, dass sie hier auch eine Schlacht geführt hatte, im Wochenbett, und dabei Sieg oder Niederlage noch nicht feststanden.
Ich habe eine Schlacht gewonnen – und die Liebe meines Lebens verloren. War es das wirklich wert?, fragte sich Dietrich.
»Verlass mich nicht!«, flehte er. »Ich brauche dich! Ich werde die Ehe mit Jutta nicht vollziehen, sie wird mir nie so viel bedeuten wie du!«
»Woher wollt Ihr das wissen? Geht jetzt lieber. Ich war bereit, Eure Geliebte zu werden, und danke Gott für jeden einzelnen Augenblick mit Euch. Aber ich kann keine Ehebrecherin sein.«
Beklommen schwieg Dietrich. Er kannte Clara gut genug, um zu wissen, dass sie ihre Worte ernst meinte und nicht bloß seinen Widerspruch provozieren wollte, um ihn zu halten. Wenn sie beide jemals in ihrem Inneren zur Ruhe kommen wollten, sollte er sie wohl nicht mehr bedrängen, auch wenn ihn die Sehnsucht nach ihr beinahe zerriss. Ganz zu schweigen von der Vorstellung, dass ein anderer Mann das Bett mit ihr teilen könnte.
Es war ein langes, bedrückendes Schweigen, bis er schließlich schweren Herzens sagte: »Was kann ich tun, um dich zu schützen? Möchtest du, dass ich dir einen guten Ehemann suche? Der dich vor allem Gerede bewahrt?«
Sie schüttelte nur matt den Kopf und schloss erneut die Augen.
Widerstrebend erhob sich Dietrich und ging hinaus. Er musste den Drang niederkämpfen, sie in seine Arme zu nehmen und innig zu küssen, wenigstens ein letztes Mal. Sie würde sich dagegen sträuben, das spürte er. Innerlich hatte sich Clara bereits mit ihrem Verzicht abgefunden.
Sollte er bereuen, dass er in jener Nacht vor drei Jahren, als sie zueinandergefunden hatten, nicht gegangen war? Sie waren so glücklich gewesen, und sie hatte ihm sogar zwei Söhne geschenkt. Das konnte er nicht bereuen. Aber wie er künftig leben sollte, ohne sie an seiner Seite und in seinem Bett zu haben, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Es kam, wie Marthe gesagt hatte: Claras bekanntermaßen schlechter Zustand nach der Entbindung ersparte es ihr, an der prachtvoll gefeierten Vermählung zwischen Dietrich von Weißenfels und Jutta von Thüringen teilnehmen zu müssen. Zugleich ersparte ihr das den Klatsch und die missbilligenden Blicke der Neider und Eiferer.
Dass der Graf von Weißenfels die Ehe mit seiner blutjungen Braut nicht vollzog, verwunderte niemanden am thüringischen Hof und unter den Hochzeitsgästen.
Von den Männern solcher Kindbräute wurde erwartet, dass sie sich geduldeten, bis ihre Gemahlin zur Frau geworden war. So wurden Dietrich und Jutta vollständig bekleidet in ein Bett gelegt, der Bräutigam berührte vor allen Zeugen symbolisch das Bein seiner Anvermählten und ging danach wieder zur Festtafel.
Drei Tage später kehrten Dietrich, seine junge Frau und sein Gefolge nach Weißenfels zurück. Marthe und Lukas, die in Dietrichs Dienste getreten waren, und auch Clara mit ihren drei Kindern reisten
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