Der Traum der Hebamme / Roman
Frage.
»Ist es das Fieber? Das Kindbettfieber?«, fragte er bestürzt. Dann gab es keine Hoffnung. Vielleicht war Clara schon tot …
»Marthe tut, was sie kann«, antwortete Raimunds Frau ausweichend. »Sie wird ihr helfen. Aber Clara braucht jetzt vor allem Ruhe.«
Sie und Marthe waren sich einig darin, Dietrich nicht zu sagen, dass Clara durch ein Intrigenspiel auf der Wartburg die Entbindung ohne erfahrene Wehmutter durchstehen musste. Denn die Reaktion des Grafen darauf war vorhersehbar – und einen Streit mit Thüringen konnte er sich nicht leisten.
Dietrich versuchte vergeblich, in Elisabeths schmalem Gesicht abzulesen, was ungesagt blieb.
Also entschied er rasch: »Raimund, Ihr übernehmt ab sofort das Kommando über die Burg. Eure Gemahlin soll gemeinsam mit dem Pater dafür sorgen, dass es niemandem hier am Notwendigsten mangelt. Ich reite heute noch mit Norbert und Thomas nach Eisenach.«
Er gab Befehl, alles für seinen umgehenden Aufbruch vorzubereiten, Festgewänder und Brautgeschenke einzupacken und verließ kurz darauf mit seinem Geleit Weißenfels Richtung Wartburg.
»Ich habe nicht genug Milch«, wehklagte Clara, während sie ihr Kind säugte, das glucksend trank. Sie war mit ihrer Mutter und dem Neugeborenen allein, und Tränen rannen ihr über die Wangen. »Ich hätte ihn eher anlegen sollen … Nicht einmal das schaffe ich mehr …«
»Pscht!«, machte Marthe und strich ihrer Tochter übers Haar. »Das bringen wir schon noch in Gang. Und wenn der Kleine nicht satt wird, springt die Amme ein, das weißt du. Aber du musst deinen Kummer ablegen, wenn du dem Kind nicht schaden willst.«
Seit Tagen bemühte sie sich, ihre Tochter aufzurichten und ihr Mut zu spenden, so wie es Elisabeth zuvor getan hatte.
»Gib mir den Kleinen, er ist schon zu müde zum Trinken. Und du solltest jetzt auch schlafen!«
Erleichtert nahm Clara ihr Kind von der Brust, das tatsächlich kaum noch saugte und die Augen geschlossen hatte. Sie zog sich das Unterkleid wieder über die Schulter und rollte sich auf dem Bett zusammen.
Zärtlich nahm Marthe ihr Enkelchen in den Arm und zupfte mit der anderen Hand die Decke über ihrer Tochter zurecht, die im Nu eingeschlafen schien.
Stehend verharrte sie und lauschte den Geräuschen, die vom Hof in die kleine Kammer drangen.
Dann ging sie nach draußen, das Kind immer noch auf dem Arm, und schloss die Tür leise hinter sich.
Sie hatte richtig gehört, eine große Schar Reiter war gekommen – Dietrich mit seinem Gefolge, obwohl er wegen der Hochzeit erst in ein paar Tagen erwartet wurde.
Der Graf von Weißenfels wollte schon in den Palas gehen, als er sie im Säulengang stehen sah. Er erstarrte mitten in der Bewegung, und auf seinem Gesicht zeichnete sich tiefe Bestürzung ab.
Erst als Marthe ihm zulächelte, schöpfte er wieder Hoffnung, dass seine Liebste noch lebte. Zögernd ging er zu ihr, nachdem er Norbert von Weißenfels das Zeichen gegeben hatte, ihn allein zu lassen.
»Euer Sohn, er ist gesund und kräftig.« Glücklich hielt Marthe den Säugling auf ihrem Arm dem Vater entgegen.
Gerührt betrachtete er das schlafende Kind. Es schien ihm unglaublich, dass sein Erstgeborener auch einmal so winzig gewesen war. Dabei war das kaum mehr als zwei Jahre her.
Dann nahm er allen Mut zusammen, versuchte, sich für schlechte Nachrichten zu wappnen, und sagte: »Ich will seine Mutter sehen.«
»Sie schläft. Sie ist noch sehr schwach. Lasst sie ruhen!«, mahnte Marthe sanft.
»Noch schwach? Was ist passiert? Nach den anderen Entbindungen ging es ihr schnell wieder gut, nach der ersten stieg sie sogar gleich wieder in den Sattel! Oder meint Ihr etwa, ich soll sie nicht
ruhen,
sondern
in Ruhe
lassen?«
Nun mischte sich Schärfe in seine Verzweiflung.
Marthe sah ihm direkt in die Augen, und Dietrich war zumute, als könnte er spüren, wie ihre Gedanken in seinen Kopf strömten.
»Sie ist wirklich noch schwach. Aber sie kommt wieder auf die Beine, dafür sorge ich. Wollt Ihr es nicht dabei bewenden lassen? Ihr Zustand erspart es ihr, zuzusehen, wie Ihr Jutta zur Frau nehmt. Oder wollt Ihr Clara ganz und gar das Herz brechen?«
Verzweifelt schloss Dietrich für einen Moment die Augen. »Was kann ich tun, um sie glücklich zu machen?«, sagte er ungewohnt leise. »Gebt mir einen Rat, ich bitte Euch! Lasst mich zu ihr, sobald Ihr es für richtig haltet. Sonst … bricht es mir genauso das Herz.«
Claras Mutter zögerte. »Ihr werdet wohl zuerst Euern
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