Der Traum der Hebamme / Roman
einfach beiseitezuschieben.
»Ihr habt es gehört, Markgraf: Der Kaiser empfängt Euch nicht.«
Das muss ein Irrtum sein, dachte Albrecht. Eine Verwechslung. Oder der Kaiser ist krank. Vielleicht ein neuerlicher Anfall von dem Sumpffieber, das ihn seit der Belagerung Neapels immer wieder heimsucht?
Mit einem Blick befahl er Sophia, ihm zu folgen, und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
Ich versuche es morgen wieder. Der Kaiser
muss
mich empfangen. Habe ich ihm nicht gute Dienste geleistet, als er noch ein Knabe war? An seiner Seite gestanden bei seiner Schwertleite in Mainz? Wie oft bin ich mit ihm zur Jagd geritten, habe mit ihm getrunken, ihm die erste Frau zugeführt, als er zum Manne reifte? Das kann er nicht vergessen haben!
Je stärker solche Erinnerungen in ihm wühlten, desto schneller stapfte er zu seinem Quartier. Sophia hatte Mühe, ihm zu folgen.
Morgen wird er mich empfangen.
Um diesen einen Punkt kreisten seine Gedanken immer noch, während er sich nachts ruhelos im Bett von einer Seite auf die andere wälzte.
Trotz des milden Klimas von Palermo meinte Albrecht, mit jedem heranbrechenden Morgen mehr Frostigkeit zu spüren.
Tag um Tag sprach er mit der Bitte vor, vom Kaiser empfangen zu werden. Vergeblich. Er gab Unsummen an Bestechungsgeldern aus, um bei den Vertrauten Heinrichs Fürsprecher zu finden. Vergeblich.
Wie ein Aussätziger wurde er behandelt.
Er schickte Sophia und forderte sie auf, gefälligst ihren Liebreiz spielen zu lassen, damit er durch sie Gehör fände. Versuchte, dem Kaiser aufzulauern, wenn er ausreiten wollte, um sich vor ihm zu Füßen zu werfen und ihn seiner langjährigen Treue zu erinnern. Nichts davon gelang.
Nur aus den hintersten Reihen der adligen Gäste erlebten Albrecht und Sophia mit, wie der Kaiser am 20. November des Jahres 1194 mit überwältigender Pracht in Palermo Einzug hielt – so triumphal, dass sich das Volk vor ihm zu Boden warf.
Nun residierte der Kaiser im alten normannischen Königspalast auf dem höchsten Punkt der Stadt.
Zum Weihnachtsfest wurde Heinrich im Dom von Palermo zum König von Sizilien gekrönt. Endlich hatte er erreicht, wofür er so lange gekämpft hatte.
Noch am Krönungstag verteilte der Kaiser und König bedeutende Privilegien, Ländereien und Titel an etliche seiner Gefolgsleute.
Doch selbst an diesem festlichen Tag war der Staufer nicht bereit, den Markgrafen von Meißen zu empfangen, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
In Albrecht von Wettin reifte die Erkenntnis, dass der Kaiser ihn hatte fallenlassen wie ein glühendes Stück Eisen.
So gründlich und endgültig, dass er nicht einmal willens war, dem in Ungnade Gestürzten eine Möglichkeit einzuräumen, sich zu rechtfertigen, Verzeihung zu erbitten und Besserung zu geloben.
Ein Kaiser kennt keine Freunde, ein Kaiser hat keine Freunde, dachte er verbittert. So wie auch er, Albrecht, keine Freunde hatte – nur Untergebene, die er nach Belieben belohnte oder bestrafte.
Oder davonjagte.
Oder töten ließ.
Eine letzte Hoffnung hegte er noch.
Am Hof sorgte seit Monaten die Nachricht für Aufregung, dass Kaiserin Konstanze trotz ihrer vierzig Jahre endlich schwanger sei. Wenn sie ihm einen Sohn gebiert, wird er vor lauter Freude allen großzügig verzeihen, dessen war sich Albrecht sicher. Wer sollte besser die Sorgen eines Herrschers verstehen, dessen Frau Jahr um Jahr keinen Erben austragen konnte, als er? Würde Sophia ihm einen Sohn gebären, wäre er an diesem Tag die Großmut in Person.
Inbrünstig betete Albrecht darum, dass die Kaiserin einen Jungen zur Welt brachte.
Seine Gebete wurden erhört. Am Tag nach der Krönung Heinrichs zum König von Sizilien, am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1194, schenkte Konstanze einem Sohn das Leben, der auf Wunsch des Kaisers den Namen von dessen Vater erhielt: Friedrich.
Der Kaiser ließ alle Glocken läuten, Dankesmessen lesen, großzügig Geschenke verteilen. Doch er ließ sich nicht dazu herab, den Markgrafen von Meißen zu empfangen, den Mann, der sich seinen Befehlen widersetzt, den Frieden gestört und seinen Boten verstümmelt hatte.
Nur ein Bediensteter des Bischofs Walther von Troia, des künftigen Kanzlers von Sizilien, gab Albrecht beiläufig zu verstehen, es sei wirklich barbarisch, jemandem die Augen ausstechen zu lassen, wenn man ihn blenden wolle. Hier auf Sizilien bevorzuge man eine feinere Methode, meinte der Diener von oben herab: rot glühende Kohlen vor die Augen des Delinquenten
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