Der Traum der Hebamme / Roman
und legte ihre Hand an seine Wange. »Pass gut auf ihn auf. Und auf dich!«
Er lächelte. »Tue ich das nicht immer?«
Marthe ging nicht darauf ein; sie wollte jetzt keinen Streit über seine Neigung, die Dinge manchmal zu wenig ernst zu nehmen. Und darüber scherzen, was Lukas vorhatte, konnte sie schon gar nicht.
Stattdessen schlang sie ihre Arme um seinen Hals und presste sich an ihn. »Befreit das Land von diesem Ungeheuer!«, sagte sie leise.
Sie blieben aneinandergeschmiegt, bis Marthe sich wieder von ihrem Mann löste.
»Diesmal kann ich euch nicht begleiten. Wenn mich in Freiberg jemand erkennt, scheitert euer ganzes Vorhaben. Und ihr müsst schnell sein, auch beim Rückzug.«
Falls es einen Rückzug gibt, dachte sie beklommen, ohne es auszusprechen.
Ihre Gedanken tosten auf der Suche nach einer Möglichkeit, Lukas zu helfen. Doch nichts fiel ihr ein. Dies musste sie wohl ganz den Männern überlassen und auf Gott vertrauen.
Gab es etwas Schlimmeres, als die Hände in den Schoß legen zu müssen, während der Liebste zu einer so waghalsigen Unternehmung aufbrach?
Zu ihrer Überraschung kniete Lukas vor ihr nieder und sah sie ungewohnt ernst an. »Meine Geliebte, meine Vertraute, meine Gefährtin. Gibst du mir deinen Segen?«
Ohne ein Wort legte Marthe ihre Hände auf seine Schultern und schloss die Augen.
Geständnisse
L ukas und Raimund feilten in den nächsten Tagen an ihrem Plan, schickten Boten mit geheimen Nachrichten nach Freiberg, gewannen im Verborgenen Mitstreiter. Wie Raimund wusste, gab es nicht wenige unter den meißnischen Rittern, die mit sich rangen, ob sie Albrecht weiter die Treue halten sollten. Der Klosterraub, die Hinrichtung Reinhards und Lothars und die Blendung eines kaiserlichen Ministerialen hatten das bewirkt. Doch da nun auch Raimund seit längerem den meißnischen Hof verlassen hatte, mussten sie genau abwägen, wem sie vertrauen konnten.
Thomas hatte sofort zugestimmt, sie zu begleiten. Auch Norberts Söhne wollten mit, doch das lehnte Lukas ab: Er wollte Weißenfels und damit Dietrich aus der ganzen Sache heraushalten.
Lukas und Raimund ritten für ein paar Tage fort, um sich unerkannt in die Mark Meißen zu wagen. David und Georg sagten ohne Zögern zu, auch die Nossener Brüder und der Slawe Boris von Zbor.
Als Gerald wie versprochen den jungen Johann mit Nachricht über Albrechts bevorstehende Ankunft in Freiberg schickte, wussten sie, dass sie ein Dutzend entschlossener Männer sein würden. Noch diese Nacht wollten sie aufbrechen, um sich nahe Freiberg zu treffen.
»Zeit, zu Dietrich zu gehen«, entschied Lukas. Das Angebot des Freundes, ihn zu begleiten, lehnte er ab – zum Schutz des Grafen. »Es wird ein Gespräch, das niemals stattgefunden hat.«
Er stand auf, legte Raimund den Arm auf die Schulter, und mit einem Blick brachten sie alles zum Ausdruck, was sie in diesem Moment bewegte. Sie waren bereit, sich mit Waffen gegen Gottes Ordnung aufzulehnen und ihr Leben für eine Sache einzusetzen, für die sie vor Gericht keine Gnade finden würden, sollten sie die Tat überleben. Es gab kein Zurück.
»Gehorsam hat seine Grenzen«, sagte Lukas bitter, stand auf und wollte zur Tür gehen.
In diesem Moment klopfte es. Daniel trat ein, Marthes und Christians jüngerer Sohn, seit Pfingsten ein Ritter.
»Ich weiß, dass ihr beide und Thomas bald zu einer gefährlichen Mission aufbrecht. Ich möchte euch begleiten«, sagte er ohne Vorrede. Nun, da es heraus war, schien er erleichtert, ließ aber seinen Stiefvater nicht aus den Augen. Würde der ihn schelten oder begeistert in die Arme schließen und zum Mitkommen auffordern?
»Was hat dir Johann erzählt?«, fragte Lukas, ganz und gar nicht erfreut.
»Nichts«, beeilte sich Daniel zu versichern. »Jedenfalls nichts Genaues. Aber wenn er und Thomas dabei sind, will ich es auch.«
Mit erzwungener Geduld bedeutete Lukas seinem Stiefsohn, sich zu setzen. So dringend er auch zu Dietrich musste, wollte er dieses Gespräch hier führen, ohne Daniel mehr zu verletzen als nötig.
»Wir nehmen dich auf keinen Fall mit, das ist mein unumstößlicher Entschluss«, begann er, um in dem jungen Ritter gar nicht erst falsche Hoffnungen zu wecken. »Du wirst noch viele Bewährungsproben in deinem Leben bestehen müssen, aber nicht diese.«
»Thomas darf mit!«, protestierte Daniel, und Lukas dachte bei seinem Anblick: Er ist wie Thomas noch vor ein paar Jahren, so jung, so voller Ideale und Tatendrang, sich zu beweisen.
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