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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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hatten, dass die ganze Mark Meißen in Angst vor ihm erstarrte. Er konnte es kaum erwarten.
    Wenn ihn nur dieser gerissene Meißner Bischof nicht so argwöhnisch beäugen würde! Der Alte schaffte es wirklich, ihm einen Schauer über den Rücken zu jagen. Er war damals Zeuge gewesen, als ihm sein Vater am Sterbebett nicht vergeben wollte, und die bloße Gegenwart des Greises mit dem Habichtsblick genügte, in Albrecht die bösen Geister der Vergangenheit wachzurufen.
    Er musste unbedingt herausfinden, wer sich gegen ihn verschworen und dafür gesorgt hatte, dass dieser Kittlitz jetzt hier stand und seine Niederlage miterlebte, sie sogar zelebrierte, statt sich in Meißen mit dem Domkapitel herumzuschlagen.
    Der langjährige Dompropst Dittrich von Kittlitz, seit kurzem Bischof von Meißen, war trotz seiner siebzig Jahre ein ebenso gefährlicher wie durchtriebener Mann. Noch während der alte Markgraf Otto auf dem Sterbebett lag, hatte er versucht, Albrecht als dessen Nachfolger in die Schranken zu weisen, um zu zeigen, wer von nun an das Sagen auf dem Meißner Burgberg hatte, denn seit eh und je kämpften dort die Vertreter dreier Gewalten um die Vormacht: der kaiserliche Burggraf, der Bischof und der Markgraf.
    Jetzt hielt der hochbetagte Meißner Bischof das Kreuz, auf das Albrecht seinen Schwur leisten musste, und seine von Altersflecken übersäte Hand zitterte nicht im Geringsten dabei, während er den Markgrafen von Meißen durchdringend anstarrte.
     
    Auch Graf Dietrich hielt während der Zeremonie sorgfältig jegliche Regung aus seinem Gesicht und beobachtete seinen Bruder genau.
    »Lobpreiset den Herrn und den soeben geschlossenen Frieden!«, rief der Bischof von Merseburg, und nicht nur die Männer in der Kirche stimmten in seinen Ruf ein, auch von draußen war lauter Jubel zu hören. Die leidgeplagten Weißenfelser feierten den Sieg und die Hoffnung auf bessere Zeiten, jetzt, da ihr Herr zurückgekehrt war, die Angreifer bezwungen und den Armen so großzügig Hilfe für den Wiederaufbau zugesprochen hatte.
    Dietrich hingegen war zu zynisch gestimmt und kannte seinen Bruder zu gut, um Triumph zu verspüren. Er hatte sich nur eine Atempause verschafft – und durch einen klugen Schachzug das Wohlwollen der Geistlichkeit in Merseburg und in Meißen gesichert. Stets weiterhin das Zisterzienserkloster bei Nossen zu unterstützen, hatte ihm seine Mutter schon vor seiner Abreise ins Heilige Land geraten.
    Niemals hätte er die gewaltige Summe von eintausend Mark Silber fordern können, würde er das Geld für sich behalten, obwohl er es zum Aufstellen von Truppen und zum Ausbau seiner Burg gut brauchen könnte. Dafür waren hundert Mark nicht genug. Für das Seelenheil ihres Vaters jedoch konnte Albrecht ihm das Geld schlecht verwehren. Nun erfüllte Dietrich nicht nur wenigstens einen Teil des Letzten Willens ihres Vaters, sondern konnte auch sicher sein, dass der Bischof des nahen Merseburgs ihn als heimgekehrten und gottesfürchtigen Wallfahrer unter den Schutz der Kirche stellte.
    Doch das Wichtigste war die Gegenwart des Bischofs von Meißen.
    Albrecht
fürchtete
Dittrich von Kittlitz, weil der Geistliche seine Schwachstellen nicht nur kannte, sondern auch geschickt ausnutzte, um Macht über ihn zu erringen. Das wusste Dietrich von Marthe.
    Und Albrecht würde sich noch mehr fürchten, ahnte er etwas von dem höchst geheimen und erstaunlichen Bündnis zwischen Dittrich von Kittlitz und jener Heilkundigen, die ihn vor seinem gesamten Hofstaat verflucht hatte.
    Zustande gekommen war diese merkwürdige Allianz unmittelbar nachdem Albrecht Marthe in den Kerker werfen ließ, damit sie ihren Fluch zurücknahm. Der damalige Dompropst hatte sie aus den Verliesen des markgräflichen Palast entführen und in einer seiner Zellen verstecken lassen. Der schlaue Kittlitz erkannte, dass dem neuen Herrscher aus unerklärlichen Gründen mehr vor der Verwünschung dieser zierlichen Frau graute als vor der Strafe des allmächtigen Gottes – immerhin hatte Albrecht nur Tage zuvor dreitausend Mark Silber vom Altar des Zisterzienserklosters gestohlen. Um zu erfahren, welche geheimen Ängste dahintersteckten, die er für seine Zwecke nutzen konnte, hatte Kittlitz Marthe zu sich bringen lassen und in den Wochen ihrer Gefangenschaft ausführlich befragt.
    Marthe sah nicht mehr den geringsten Grund, Albrecht zu schonen. Deshalb erzählte sie dem künftigen Bischof bereitwillig von den Alpträumen, die den jetzigen Markgrafen schon

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