Der Traum der Hebamme / Roman
zupfte die Ärmelkante ihres Untergewandes hervor, die tatsächlich mit einer sehr schönen gewebten Borte verziert war.
»Sind Anselm und Josef immer noch Ratsherren?«, erkundigte sich Lukas beiläufig, während er sich vom Kellermeister nachschenken ließ. Diese beiden waren ebenso widerlich wie selbstsüchtig und falsch.
»Das sind sie, brave Ratsleute«, gab Heinrich eilig Auskunft, ehe seine Frau erneut das Wort an sich reißen konnte. »Der Rat wird zwar jedes Jahr neu gewählt, aber im Grunde genommen ändert sich die Runde kaum: der Gewandschneider, der Tucher, der Goldschmied, der Silberschmied, die üblichen Gewerke. Ja, und dann haben wir immer noch diese Freiberger Besonderheit …« Er hüstelte verlegen. »… dass hier sogar ein Schwarzschmied, ein Bergschmied und ein Fuhrmann Ratsleute sind, wirklich unwürdiges Pack, und die reinsten Unruhestifter. Und beinahe hätten sie noch einen Stallmeister dazugewählt! Hat man so etwas schon gehört?«
Ida stieß ihrem Mann unter dem Tisch gegen das Knie. Hatte der denn vergessen, dass gerade die vier Letztgenannten mit Lukas unter einer Decke steckten?
Lukas tat so, als habe er das nicht bemerkt. »Und wer ist jetzt Bürgermeister der Stadt?«
»Wilhelm, der Pelzhändler. Ein braver Mann. Sehr willfährig«, informierte Heinrich.
Also jemand, der vor dir kuscht und nicht den Mut hat, sich für die Bürger seiner Stadt stark zu machen, übersetzte Lukas im Geiste diese Einschätzung.
»Ist Meister Wibald noch der Münzmeister?«, fragte Marthe. »Mir schien, ich hätte ihn in die Zainegießerei gehen sehen, als wir vorhin auf den Burghof kamen.«
»Ja, das ist er«, bestätigte Ida. »Aber der Bergmeister Hermann, den Ihr kanntet, der ist gestorben. Sein Nachfolger heißt Sigismund und ist mitunter starrköpfiger, als es ihm zusteht.«
Aha, also jemand, der nicht sofort vor euch klein beigibt, übersetzte Marthe in Gedanken.
»Die Brandspuren an der Zainegießerei – war das ein Überfall oder ein versehentlich ausgebrochenes Feuer?«, wollte Lukas wissen.
Nun traten dem Vogt Schweißperlen auf die Stirn. Er war persönlich dafür verantwortlich, dass es in der Münzstätte keine Störungen gab; deshalb war sie ja auch auf der Burg untergebracht.
»Ein Feuer … ein Funkenflug im heißen Sommer. Ihr wisst doch, wie gefährlich es ist, wenn geschmolzen und gegossen wird. Wir konnten die Flammen schnell löschen, bevor sie größeren Schaden anrichteten.« Nun sah er beinahe ängstlich auf den kaiserlichen Ministerialen. Doch Bernhard schwieg beharrlich.
»Mir ist zu Ohren gekommen, es gäbe Schwierigkeiten in den Gruben und den Schmelzhütten, sogar Unruhen, weil die Ausbeute zu gering ist für die Abgaben, die die Menschen zahlen sollen«, fuhr Lukas fort, mit harmlosester Miene an wunden Stellen herumzustochern, die Heinrich lieber verborgen hätte.
»Das ist nur übles Gerede«, versicherte dieser rasch. »Ihr wisst doch: Die Leute jammern immerzu, um sich vor dem Bezahlen zu drücken. Wenn ich daran denke, wie viele Hälflinge bei der letzten Geldverrufung am Lichtmesstag zum Vorschein kamen, dann kann das Volk nicht so arm sein, wie es tut!«
»Und
mir
ist zu Ohren gekommen, dass Ihr die Häuer zwingt, auch in Gängen abzubauen, die nicht sicher sind. Dass es in letzter Zeit vermehrt Grubenunglücke gab und etliche Leute verschüttet wurden; auch Kinder, die man in die engsten Stollen schickt«, mischte sich unerwartet der bis dahin schweigsame Bernhard in das Gespräch ein. »Stimmt es, dass Ihr einen Obersteiger sogar ins Verlies geworfen habt, weil er sich weigerte, Leute in einen brüchigen Stollen zu schicken?«
Heinrich fiel vor Schreck beinahe das Messer aus der Hand. »Das ist ganz und gar übertrieben! Und der Kerl ist längst wieder auf freiem Fuß«, widersprach er forsch. »Die alte Bergmannssage von der Langen Schicht … Es ist eben eine gefährliche Arbeit, da wird es immer Tote geben! Nicht gefährlicher als die eines Ritters. Wer weiß, womit sie die Berggeister aufgebracht haben …«
»Wie dem auch sei; ich will mich morgen mit den Zuständen der Gruben und in der Münzstätte vertraut machen«, verkündete Bernhard zu Heinrichs Erstaunen und Entsetzen.
Noch bevor sich der Vogt sammeln konnte, fragte Bernhard schon, an Marthe gewandt: »Ich würde die Herrin von Christiansdorf um ihre Begleitung bitten, sofern Euer Gemahl es gestattet. Mein Helfer hat sich beim Absitzen den Fuß verletzt, und ich brauche
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