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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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schon mehrfach in der Not geholfen hatte, seine heilkundige Stieftochter Johanna, und betrachtete besorgt seine erschöpft und aufgewühlt wirkende Frau.
    »Müssen wir wirklich dorthin und uns die Heucheleien dieses widerlichen Vogtes anhören?«, klagte Marthe. »Er buckelt vor den Großen und schlägt die Kleinen. Viel lieber würde ich unseren ersten Abend in Freiberg mit Freunden verbringen.«
    »Willst du dir etwa entgehen lassen, wie er sich windet, uns zu Munde redet und uns davon überzeugen will, dass er hier Gerechtigkeit walten lässt?«, versuchte Lukas, sie zu locken.
    Doch sein sarkastisches Grinsen verschwand so rasch, wie es gekommen war. »Die Burgmannschaft ist verroht und gewalttätig gegenüber den Stadtbewohnern. Mit Heinrichs Duldung oder sogar auf seinen Befehl. Es wird ein hartes Stück Arbeit, den Männern Disziplin beizubringen. Soll er glauben, wir fallen auf seine Freundlichkeit herein. Und soll er sehen, dass Bernhard großen Wert auf uns legt. Das macht es uns leichter.«
    Seufzend suchte Marthe ihr bestes Kleid aus dem Bündel, rostfarben mit grünem Besatz und weiten Ärmeln, ein Geschenk Hedwigs. Wenn sie schon Eindruck machen sollten, war ein prachtvolles Gewand unentbehrlich.
    Von Lukas ließ sie sich in den Sattel helfen. Auf dem Weg zur Burg erzählten sie sich gegenseitig, was sie über die Lage in der Stadt in Erfahrung gebracht hatten.
     
    »Meine Liebe, ich freue mich ja so, Euch bei bester Gesundheit zu sehen! Und Ihr seht keinen Tag älter aus! Wie macht Ihr das bloß?«
    Ida begrüßte Marthe überschwenglich, als seien sie beste Freundinnen. Diese ließ das Wortgetöse mit aufgesetztem Lächeln über sich ergehen und dachte dabei: Hat es der alte Drachen doch wirklich geschafft, schon mit den ersten drei Sätzen einen Giftpfeil abzuschießen! Denn das vermeintliche Kompliment war pures Gift – eine Anspielung auf das Gerücht, Marthe sei eine Fee und würde deshalb nicht altern. Solches Gerede konnte leicht in die Anklage umschlagen, sie stehe mit teuflischen Mächten im Bunde.
    »Und wie schön, mit Euch, Herr Lukas, wieder einen so tapferen und bewährten Mann bei uns zu wissen«, fuhr Ida unverdrossen fort. »Nach all den blutigen Schlachten der letzten Jahre ist es wirklich schwer, noch gute Männer für die Besatzung zu finden. Aber ich bin sicher, unter Eurer erfahrenen Führung wird sich die Wache ganz prächtig entwickeln.«
    Es muss ja schlimm stehen, wenn sich sogar die Frau des Vogtes schon in dieser Sache ein Urteil zutraut, dachte Lukas zynisch.
    Ida trug diesmal nicht das grellgelbe Festkleid, das sie wie ein menschengroßes Küken aussehen ließ. Entweder hielt sie die Gäste nicht für bedeutend genug, oder es war über die Jahre zu sehr verschlissen, um es noch bei hohen Anlässen anzuziehen. Heute Abend war sie in ein giftgrünes Gewand gehüllt. Diese Farbe war zweifelsfrei sehr aufwendig zu erzeugen und entsprechend teuer. Aber zusammen mit Idas Fülligkeit und ihrem Geplapper bewirkte es, dass Marthe zwanghaft an einen aufgeblähten Frosch denken musste.
    Burgvogt Heinrich hielt es für höchste Zeit, das Kommando und das Wort zu übernehmen, und lud die Gäste nach oben in seine Kammer ein. Marthe bot Bernhard leise ihre Hilfe an und führte ihn, wobei sie im Stillen bewunderte, wie sicher und würdevoll sich der Blinde bewegte.
    In der Kammer, in der sie einst mit Christian gelebt hatte, als dieser noch Burgvogt war, kam Marthe nichts mehr vertraut vor außer den Umrissen des Raumes. Heinrich und Ida hatten die Bleibe mit klobigen Truhen gefüllt, die Wände waren über und über behangen mit Schilden, Bannern und gestickten Bildern.
    Selbst der Blick aus dem Fenster hatte sich verändert: Jetzt waren viel mehr Dächer zu sehen, die die etwas entfernter liegenden Gruben beinahe vollständig verdeckten, und ein Wall rund um die Stadt.
    Der Burgvogt lud seine Gäste ein, sich zu setzen, und verkündete mit stolzer Miene, dass er ihnen zu Ehren eine Vorkostzeremonie befohlen habe.
    Während Bernhard keine Miene angesichts dieser Eröffnung verzog, hatte Lukas Mühe, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen.
    Entweder hat unser kahler Vogt immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ausgerechnet hier Albrecht vergiftet wurde, und will sich absichern, dachte er. Oder er traut selber dem Küchenmeister und dem Kellermeister nicht.
    Denn als Ehrenbezeugung für besonders angesehene Gäste war eine Vorkostzeremonie in diesem Fall mehr als

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