Der Traum des Highlanders
rühren.« Robbie legte seinen Zeigefinger unter Marys Schnabel und sah den Vogel lächelnd an.
»Sie wird dich beißen«, warnte Catherine ihn. »Der Schnabel ist nicht weniger gefährlich als die Krallen. Wenn du dich nicht vorsiehst, habe ich gleich noch jemanden, um den ich mich kümmern muss.«
»Aber du kümmerst dich doch gern um mich«, füsterte er und richtete sein Lächeln auf sie.
Catherine rollte mit den Augen, sah dann aber wieder auf die Wunde und entfernte vorsichtig das Blut von Marys Federkleid.
»Am liebsten würde ich die Federn etwas kürzen, aber dann hätte sie eine kahle Stelle, das wäre nicht schön.« Sie sah wieder Robbie an. »Ich nehme nicht an, dass du sie in einen Käfig sperren willst?«
»Nein. Das würde ihr ganz sicher nicht gefallen.«
»Seit wann hast du sie schon als Haustier?«, fragte sie und lenkte ihren Blick wieder auf das Tier.
»Seit meinem achten Lebensjahr.«
Catherines Kopf fuhr hoch, dann aber sah sie wieder Mary an. »So lange leben Eulen in der Wildnis nicht, ich bin mir nicht mal sicher, ob es überhaupt so alte Eulen gibt.«
Robbie zuckte mit der freien Schulter. »Ich hinterfrage solche Dinge nicht. Ich akzeptiere sie als die Geschenke, die sie sind.«
Sie fuhr mit ihrer Arbeit fort, und nachdem sie das letzte Blut von den wunderschönen, seidig weichen Federn abgewaschen hatte, schnitt sie ein Stück pinkfarbenen Faden ab, schob ihn durch das Nadelöhr, legte ihre Hände sanft über die Wunde und sah dem Vogel nochmals ins Gesicht.
Die Eule hatte ihre riesengroßen, gelben Augen zugeklappt, und Catherine nickte Robbie zu. »Halt sie fest«, wies sie ihn an, beugte sich vor und teilte abermals das Federkleid.
Mit allergrößter Vorsicht stach sie die Nadel in das Fleisch des Tieres, und als Mary ihre Augen weiterhin geschlossen hielt, führte sie den Stich möglichst schnell zu Ende, machte einen festen, aber nicht zu engen Knoten, wiederholte diese Prozedur, schnitt die Fadenenden ab und richtete sich wieder auf.
Sie merkte, dass sie während des gesamten Nähvorgangs den Atem angehalten hatte, und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie nicht einmal gezuckt hat«, wisperte sie verblüfft.
Die Eule schlug die Augen wieder auf und starrte Catherine an.
Robbie drehte Mary wieder um, setzte sie abermals auf seinen Arm, nahm Catherines Hand und strich mit ihr über den Rücken seines geliebten Tiers. »So, kleine Cat, jetzt hast du eine neue Freundin. Jeder sollte ein so besonderes Haustier wie diese hübsche Dame haben, findest du nicht auch?«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass sie sich von mir hat nähen lassen«, wiederholte Catherine, während sie den Vogel weiter streichelte. »Sie ist wirklich erstaunlich. Und vor allem wunderschön. Ihre Federn sehen aus wie Spitze.« Catherine blickte Robbie lächelnd an. »Dies scheint wirklich ein magischer Ort zu sein. Ich finde es unglaublich, dass jemand eine wilde Schneeeule als Haustier hat. Und so weit südlich tauchen diese Vögel für gewöhnlich gar nicht auf. Du sagst, dass sie schon seit über zwanzig Jahren hier in dieser Gegend lebt?«
»Ja.« Robbie stand auf und trug das Tier zum Schaukelstuhl zurück. »Am besten breiten wir ein paar alte Zeitungen auf dem Fußboden aus, damit sie nichts schmutzig macht. Hast du irgendwas im Kühlschrank, was sie fressen kann?«, wollte er von Catherine wissen, während er schon selber vor den Kühlschrank trat. »Vielleicht ein bisschen rohes Fleisch?«
»Ich habe Hackfleisch aufgetaut«, erklärte sie, spülte die Nadel und die Schere und legte sie neben dem nassen Handtuch ab.
Dann ging sie in die Waschküche hinüber, kam mit der Zeitung vom Vortag wieder, trat vorsichtig hinter die Eule und breitete die Blätter auf dem Boden aus.
»Ah, Nathan und Nora kommen bald nach Hause. Was sollen wir dann mit Mary machen? Vielleicht machen sie ihr Angst, sie könnte sich verletzen, wenn sie durch die Küche fliegt.«
»Keine Sorge«, beruhigte Robbie sie, während er ein wenig Fleisch auf einen Löffel gab. »Sie hat Kinder gern, und sie ist weniger gefährlich als die alten Hennen. Sie pickt sie ganz sicher nicht.«
Catherine trat einen Schritt zurück, stemmte die Hände in die Hüften und starrte den Vogel an. »Dann lassen wir sie also einfach hier sitzen? Und wie lange?«, fragte sie, während Robbie etwas Fleisch vom Löffel nahm und der Eule gab.
»Bis sie beschließt, dass sie von uns genug hat«,
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