Der Traum des Highlanders
helfen. Und ich…«
Als sie plötzlich über ihren Köpfen einen schrillen Pfeifton hörten, blickten beide Männer auf. Mary flog über sie hinweg und landete auf einem Zweig, der über der Straße hing.
Robbie war verblüfft. Als er Mary zum letzten Mal gesehen hatte, war sie noch in der alten Zeit gewesen. War sie etwa aus eigener Kraft in die Gegenwart zurückgekehrt? Dann fiel ihm ein, was sie während des Sturms verdeutlicht hatte. Sie konnte ebenso aus eigenem Willen reisen wie er selbst.
»Da ist ja deine Eule«, stellte Ian grinsend fest. »Ich kann einfach nicht glauben, dass das alte Biest noch lebt.« Er blickte Robbie an. »Wie lange ist Mary jetzt schon bei dir? Über zwanzig Jahre, stimmt’s? Wie alt werden Schneeeulen überhaupt?«
»Keine Ahnung.« Robbie zuckte mit den Schultern und streckte einen seiner Arme nach der Eule aus. »Na, komm schon, meine Kleine«, lockte er sie sanft.
»Sie blutet.« Ian trat neben Robbie und zeigte auf den Ast. »Da, unten am Bauch, oberhalb des linken Beins. Siehst du es?«
»Ja«, knurrte Robbie und wandte sich wieder dem Vogel zu. »Na komm.«
Mary spreizte ihre Flügel, glitt von ihrem Ast und landete auf seinem Arm. Robbie strich ihr sanft über die Brust und hob seinen Arm vor sein Gesicht, um sich die Wunde anzusehen.
»Du bist verletzt«, stellte er fest und hob vorsichtig die blutgetränkten Federn an. »Ja, dich hat ein Pfeil gestreift.«
»Woher weißt du das?«, wollte sein Onkel von ihm wissen.
Robbie sah ihn lächelnd an. »Sie hat es mir gesagt.«
Ian wich einen Schritt zurück. »Ach ja? Sie spricht also mit dir?«
»Ja. Im Verlauf der Jahre hatten wir viele gute Gespräche.« Er zog die Brauen hoch. »Sag bitte nicht, dass dich das überrascht. Ich bin im Begriff, dich auf eine unvorstellbare Reise mitzunehmen, und du findest es seltsam, dass ich mich mit meinem Haustier unterhalte?«
Ian schüttelte den Kopf. »Ich habe schon vor Jahren aufgehört, mich über irgendwas zu wundern«, murmelte er rau. »Du musst sie zum Tierarzt bringen, damit er ihre Wunde näht.«
Robbie wandte sich wieder Mary zu. »Oder ich bringe sie zu Cat. Ihr Vater war Tierarzt, sie kennt sich mit solchen Dingen aus.«
»Dann geh.« Ian hob die Hand und scheuchte ihn in Richtung seines Hofs. »Es ist nicht mehr weit bis nach Gu Bràth. Ich komme auch ohne dich zurecht. Wir sehen uns dann morgen Nachmittag.« Er verzog den Mund zu einem breiten Grinsen und fügte verschwörerisch hinzu: »Ich werde das Plaid unter meiner Jacke verstecken, damit niemand argwöhnisch wird.«
»Onkel«, sagte Robbie, als Ian sich zum Gehen wenden wollte. »Ich wünschte … ich…« Dann winkte er ihn fort. »Genieß deinen letzten Abend mit Grey, Grace und Winter«, rief er ihm leise hinterher. »Und denk dran, dass du morgen Abend wieder bei deiner Gwyneth bist.«
»Das tue ich«, erwiderte der alte Krieger, setzte sich in Bewegung, stützte sich kurz auf den Stock, den Robbie zu Beginn ihres Spazierganges für ihn gefunden hatte, und winkte ihm noch mal über die Schulter zu. »Ich werde bereit sein, wenn du mich abholen kommst.«
Robbie blickte seinem Onkel hinterher, bis er hinter der Kuppe der letzten Anhöhe vor Gu Bràth verschwunden war, sah dann wieder seinen Vogel an.
»Am liebsten würde ich dir die Flügel stutzen!«, schnauzte er die Eule an. »Damit du mir nicht mehr einfach abhauen kannst.«
Mary stieß ein dumpfes Gurren aus, das wie leises Lachen klang, und vergrub ihre Krallen in seinem Jackenärmel, damit sie trotz des flotten Tempos, in dem er marschierte, nicht herunterfiel.
Robbie stieß einen Seufzer aus. Es hatte noch nie etwas genützt, wenn er mit Mary schimpfte. Vor allem war sie ebenso entschlossen wie er selbst, nichts unversucht zu lassen, damit die alten Highlander zur Sommersonnenwende nicht aus der Gegenwart verschwanden. Sie liebte Michael immer noch und wollte nicht mit ansehen, wie sein Leben abermals vollkommen aus dem Gleichgewicht geriet.
»Ich möchte dir jemanden vorstellen«, erklärte Robbie jetzt. »Sie heißt Cat, und sie wird deine Schwiegertochter, sobald ich sie dazu bewegen kann, mir ihr Herz anzuvertrauen.«
Mary sah ihn blinzelnd an.
»Ja, ich weiß, das kommt ein bisschen plötzlich. Aber wenn du mit mir zurückgekommen wärst, statt dort zu bleiben und auf dich schießen zu lassen, hättest du mir deinen Segen geben können, bevor mir klar geworden ist, was ich von Catherine will. Jetzt musst du sie eben einfach
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