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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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mich und reisen Sie ab, mein Freund.«
    »Ich bin kein Engländer, sondern Ire«, korrigierte Roger ihn behutsam.
    Paredes übergab ihm den Koffer, den er bei sich trug.
    »Hier haben Sie alle Dokumente aus Putumayo, auf die sich meine Arbeit stützt. Ich habe gut daran getan, sie nicht Gamarra übergeben zu haben. Er würde sie genau wie meinen Bericht in der Präfektur von Iquitos vermodern lassen. Nehmen Sie alles an sich, ich weiß, dass Sie guten Nutzen daraus ziehen werden. Es tut mir nur leid, Sie mit einem solchen Packen Papier zu beladen.«
    Vier Tage später reiste Roger ab. Vorher verabschiedete er sich noch von Omarino und Arédomi, die Stirs in einer Schreinerei in Nanay untergebracht hatte, wo sie nicht nur als Hausangestellte des bolivianischen Inhabers arbeiten, sondern auch in die Lehre gehen würden. Bereits im Hafen, wo Stirs und Michell Abschied von ihm nahmen, erfuhr Roger, dass die Kautschukexporte in den letzten beiden Monaten im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hatten. Welchen besseren Beweis gab es, dass sich nichts geändert hatte, dass Huitotos, Boras, Andokes und die anderen Indios aus Putumayo weiterhin gnadenlos ausgepresst wurden?
    Während der fünftägigen Fahrt nach Manaus verließ Roger kaum seine Kabine. Er fühlte sich niedergeschlagen und krank und empfand Ekel vor sich selbst. Er hatte keinen Appetit und trat nur auf Deck hinaus, wenn die Hitze in der kleinen Kabine unerträglich wurde. Je weiter sie den Amazonas hinunterfuhren,das Flussbett breiter wurde und die Ufer ferner rückten, desto sicherer war er, dass er niemals wieder in diesen Dschungel zurückkehren würde. Und der Gedanke ließ ihn nicht los – wie so oft in Afrika auf seinen Fahrten über den Kongo –, dass diese prachtvolle Natur, mit ihren rosafarbenen Reihern und kreischend über das Schiff hinweg fliegenden Papageien, dem Schwarm kleiner Fische, die neben dem Schiff herflitzten, als wollten sie die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich ziehen, dass diese ganze Schönheit von unvorstellbarem Leid überschattet war, verursacht durch die Habgier solcher Unmenschen, wie er sie in Putumayo kennengelernt hatte. Roger erinnerte sich an Aranas gelassene Miene während des Treffens in London. Er schwor sich, die ihm verbleibende Kraft darauf zu verwenden, dass dieser kleine Geck seine gerechte Strafe dafür bekäme, aus schierer Profitgier eine derart menschenverachtende Maschinerie zu orchestrieren. Wer würde jetzt noch zu behaupten wagen, Julio C. Arana wisse nicht, was in Putumayo vor sich ging? Er hatte ein großes Spektakel inszeniert und damit die ganze Welt hereingelegt – zuallererst die peruanische und die britische Regierung  –, um weiter in aller Ruhe Kautschuk aus diesen Urwäldern zu holen, die so geschunden waren wie die Eingeborenen, die sie bewohnten.
    In Manaus fühlte Roger sich besser. Während er auf das Schiff nach Pará und Barbados wartete, konnte er in seinem Hotelzimmer arbeiten, seinem Bericht weitere Kommentare und Details hinzufügen. An einem Nachmittag suchte er den britischen Konsul auf, der ihn informierte, dass die brasilianischen Behörden trotz seiner Beschwerden nichts Entscheidendes getan hätten, um Montt und Agüero oder die anderen Flüchtigen zu fassen. Es ging das Gerücht um, mehrere von Aranas ehemaligen Vorstehern in Putumayo arbeiteten inzwischen am Bau der Eisenbahnstrecke Madeira–Mamoré mit.
    Während der Woche in Manaus verzichtete Roger auf nächtliche Streifzüge. Er unternahm Spaziergänge am Fluss und durch die Straßen der Stadt, und neben seiner Arbeit verbrachte er viele Stunden mit der Lektüre von Büchern überdie alte Geschichte Irlands, die Alice Stopford Green ihm empfohlen hatte. Die Konzentration auf sein eigenes Land, so hoffte er, würde ihm helfen, die Erlebnisse in Putumayo und Iquitos zu vergessen. Allerdings behinderte ihn der Umstand, dass sein Auftrag noch nicht ganz erledigt war, sich dem Thema Irland wirklich in Ruhe zuzuwenden.
    Am 17. Dezember legte das Schiff nach Pará ab, wo er endlich eine Nachricht des Foreign Office vorfand. Das Außenministerium habe seine Telegramme aus Iquitos erhalten und sei somit informiert, dass die peruanische Regierung trotz ihrer Versprechungen faktisch nichts gegen die Missstände in Putumayo unternommen habe, die Verdächtigen sogar habe entkommen lassen.
    Am Weihnachtsvorabend ging Roger mit einer Handvoll weiterer Passagiere an Bord der komfortablen Denis . Die Überfahrt nach Barbados verlief

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