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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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ihr die ehrlich gemeinte Frage, warum so viele von ihnen Verletzungen auf Rücken, Hinterteil und Beinen aufwiesen. Dr. Hailes blickte ihn nachsichtig an.
    »Sie sind Opfer einer Plage namens Chicotte , Herr Konsul. Eine blutrünstigere Bestie als Löwe und Kobra. Gibt es in Boma und Matadi keine Chicottes ?«
    »Man setzt sie nicht so freizügig ein wie hier.«
    Von der feuerroten Mähne, die Dr. Hailes als junge Frau wohl gehabt hatte, lugten unter ihrem Kopftuch jetzt nurnoch ein paar Strähnen zwischen den grauen Haaren hervor. Ihr knochiges Gesicht, ihr Hals und die Arme waren sonnengegerbt, doch in ihren grünen Augen blitzte jugendlicher Eifer und unbezwingbarer Glaube auf.
    »Und wenn Sie wissen möchten, warum so viele Kongolesen hier Bandagen um Hände und Geschlechtsteile haben, kann ich Ihnen das auch erklären«, fügte Lily de Hailes hinzu. »Denen haben die Soldaten der Force Publique Hand oder Penis abgeschlagen oder mit der Machete zerquetscht. Vergessen Sie das nicht in Ihrem Bericht. Solche Dinge werden in Europa üblicherweise verschwiegen, wenn es um den Kongo geht.«
    An diesem Abend, nach den vielen Stunden, die er mit Hilfe der Dolmetscher mit den Kranken und Verletzten im Krankenhaus von Bolobo gesprochen hatte, bekam Roger keinen Bissen herunter. Die Pastoren der Mission und Dr. Hailes hatten ihm zu Ehren ein Grillhuhn zubereiten lassen, doch bedauernd entschuldigte er sich, er fühle sich nicht wohl. Ihm war, als müsste er sich bei dem kleinsten Bissen vor seinen Gastgebern übergeben.
    »Wenn Ihnen das, was Sie hier gesehen haben, zu schaffen macht, sollten Sie vielleicht lieber nicht mit Hauptmann Massard sprechen«, riet ihm der Missionsvorsteher. »Eine Unterredung mit ihm ist nichts für Leute mit empfindlichem Magen, um es einmal so auszudrücken.«
    »Dafür bin ich aber zum Mittellauf des Kongos gekommen, meine Herrschaften.«
    Hauptmann Pierre Massard von der Force Publique war nicht in Bolobo, sondern in Mbongo stationiert, wo es eine Garnison und ein Lager gab, in dem künftige afrikanische Soldaten dieses für Ordnung und Sicherheit sorgenden Militärkorps ausgebildet wurden. Zurzeit befand Massard sich jedoch auf Inspektionsreise und hatte ein Zelt neben der Mission aufgeschlagen. Die Pastoren luden ihn zu einem Gespräch mit dem britischen Konsul ein, den sie vor dem berüchtigten, aufbrausenden Temperament des Offiziers warnten. Die Einheimischen nannten ihn »Malu Malu«, und unter vielen anderentraurigen Ruhmestaten wurde ihm zugeschrieben, drei ungehorsame Afrikaner hintereinander in einer Reihe aufgestellt und mit einer einzigen Kugel erschossen zu haben. Es war insofern ratsam, ihn nicht zu provozieren, denn er galt als unberechenbar.
    Massard war kräftig und untersetzt, hatte einen eckigen Schädel mit raspelkurzem Haar, nikotingelbe Zähne und ein festgefrorenes Lächeln unter kleinen, leicht schräg stehenden Augen. Er sprach fispelig hoch wie eine Frau. Die Pastoren hatten Maniokgebäck und Mangosaft bereitgestellt. Sie selbst tranken keinen Alkohol, hatten aber nichts dagegen, dass Roger eine Flasche Brandy und Roséwein mitbrachte. Der Hauptmann schüttelte allen förmlich die Hand, begrüßte Roger mit einem übertriebenen Kopfnicken und nannte ihn » Son Excellence, Monsieur le Consul «. Sie stießen an, tranken und zündeten jeder eine Zigarette an.
    »Wenn Sie erlauben, würde ich Ihnen gern eine Frage stellen, Hauptmann Massard«, sagte Roger.
    »Wie gut Sie Französisch sprechen, Herr Konsul. Wo haben Sie das gelernt?«
    »Als Junge in England. Aber richtige Fortschritte habe ich erst hier im Kongo gemacht, wo ich seit vielen Jahren lebe. Ich habe sicherlich einen belgischen Akzent.«
    »Fragen Sie mich, was Sie wollen«, sagte Massard und trank einen Schluck. »Ihr Brandy ist übrigens ausgezeichnet.«
    Die vier baptistischen Pastoren saßen wie versteinert um sie herum. Es waren zwei junge und zwei ältere Amerikaner. Dr. Hailes war zurück ins Krankenhaus gegangen. Es wurde dunkel, und das Sirren der nächtlichen Insekten setzte ein. Zur Abschreckung der Moskitos brannte ein kleines, leise knisterndes Lagerfeuer.
    »Ich werde ganz offen mit Ihnen sein, Hauptmann Massard«, sagte Roger langsam, ohne die Stimme zu erheben. »Die zerquetschten Hände und abgeschnittenen Penisse, die ich im Krankenhaus von Bolobo gesehen habe, zeugen für mich von einer inakzeptablen Rohheit.«
    »Das tun sie, natürlich tun sie das«, pflichtete ihm der Offizier mit

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