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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Gläser. Eponim Thomas Campbell war sieben Jahre zuvor in Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados, mit weiteren achtzehn Barbadiern von Julio C. Aranas Bruder Lizardo angeworben worden, um als Aufseher in einer der Stationen von Putumayo zu arbeiten. Und damit begann auch schon der Betrug, denn als sie unter Vertrag genommen wurden, hatte ihnen niemand gesagt, dass sie einen Großteil ihrer Zeit mit »Treibjagden« zubringen würden.
    »Erklären Sie mir bitte, was diese ›Treibjagden‹ sind«, sagte Roger.
    Auf Indiojagd durch die Dörfer ziehen, um Kautschuksammler für das Unternehmen aufzutreiben. Ob Huitotos, Ocaimas, Muinanes, Nonuyas, Andoques, Rezigaros oder Boras, ganz egal. Welche Indios sich eben in der Gegend befanden. Denn Latex sammeln wollte ohnehin keiner. Man musste sie dazu zwingen. Die »Treibjagden« bestanden aus langen, oft ergebnislosen Expeditionen. Manche Dörfer waren verlassen, wenn sie kamen, die Einwohner hatten die Flucht ergriffen. Aber zum Glück nicht immer. Dann schossen sie zur Einschüchterung um sich, damit die Indios sich nicht wehren würden, was sie aber dennoch taten, mit Pfeilschleudern und Knüppeln. Richtige Kämpfe waren das. Danach musste man alle, die sich zu Fuß fortbewegen konnten, Männer, Frauenund Kinder, mit Halsfesseln aneinanderbinden. Die Alten und Neugeborenen wurden zurückgelassen, damit sie den Marsch nicht aufhielten. Eponim sagte, er habe jedoch keine unnötigen Grausamkeiten begangen wie Armando Normand, auch wenn er in Matanzas zwei Jahre unter seinem Befehl gestanden habe.
    »Unnötige Grausamkeiten?«, unterbrach ihn Roger. »Nennen Sie mir Beispiele.«
    Eponim rutschte unbehaglich auf der Bank herum, die Augen weit aufgerissen und unstet.
    »Mr. Normand hatte so seine Eigenheiten«, murmelte er mit ausweichendem Blick. »Wenn einer nicht spurte. Oder besser gesagt, wenn er nicht so spurte, wie er es wünschte. Er hat zum Beispiel ihre Kinder im Fluss ertränkt. Er selbst. Eigenhändig, meine ich.«
    Nach einer kurzen Pause fuhr er fort, die Eigenheiten von Mr. Normand hätten ihn nervös gemacht. Weil ein so merkwürdiger Zeitgenosse zu allem fähig sei, aus einer Laune heraus zum Beispiel einfach die Person neben sich abzuknallen. Deshalb habe er darum gebeten, in eine andere Station versetzt zu werden. Als er nach Último Retiro gekommen sei, deren Verwalter heiße Alfredo Montt, habe Eponim ruhiger geschlafen.
    »Mussten Sie bei irgendeiner Gelegenheit in Ausübung Ihrer Tätigkeit Indios töten?«
    Der Schwarze sah Roger an, wandte sich ab, blickte ihn wieder an.
    »Das war Teil der Arbeit«, gestand er und zuckte mit den Schultern. »Sowohl für die Aufseher wie für die Jungs, die antrainierten Indios, die sie auch die ›Verständigen‹ nennen. In Putumayo fließt viel Blut. Irgendwann gewöhnt man sich daran. Das Leben dort besteht aus Töten und Sterben.«
    »Können Sie mir sagen, wie viele Menschen Sie töten mussten, Mr. Thomas?«
    »Ich habe nicht mitgezählt«, entgegnete Eponim hastig. »Ich habe meine Arbeit getan und versucht, nicht weiter daranzu denken. Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Deshalb sage ich, dass das Unternehmen sich mir gegenüber ungerecht verhalten hat.«
    Er brachte eine lange, konfuse Anklage gegen seine ehemaligen Vorgesetzten hervor. Man beschuldige ihn, in den Verkauf von fünfzig Huitotos an das kolumbianische Kautschukunternehmen Iriarte verwickelt zu sein, das der Gesellschaft von Arana die Arbeitskräfte streitig mache. Alles gelogen. Eponim schwor hoch und heilig, dass er nichts mit dem Verschwinden dieser Huitoto-Indios aus der Station Último Retiro zu tun gehabt habe, die als Arbeiter bei den Kolumbianern wiederaufgetaucht seien. Der Vorsteher der Station, Alfredo Montt höchstpersönlich, habe sie verkauft. Ein habgieriger Geizhals. Um seinen Verstoß zu vertuschen, habe er ihn sowie Dayton Cranton und Simbad Douglas angezeigt. Alles Verleumdung. Aber das Unternehmen habe Montt geglaubt und die drei Aufseher hätten fliehen müssen. Es sei eine entsetzliche Schinderei gewesen, nach Iquitos zu gelangen. Die Chefs der Gesellschaft in Putumayo hätten den »Rationalen« Befehl gegeben, die drei Barbadier zur Strecke zu bringen. Jetzt würden Eponim und seine Gefährten vom Betteln und von Gelegenheitsarbeiten leben. Die Gesellschaft weigere sich, ihnen die Rückreise nach Barbados zu bezahlen. Sie habe sie wegen unerlaubten Fernbleibens vom Arbeitsplatz verklagt und der Richter von Iquitos

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