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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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habe dem Haus Arana natürlich recht gegeben.
    Roger versprach ihm, seine Regierung würde sich darum kümmern, ihn und die beiden anderen, da sie britische Staatsbürger seien, zurück nach Barbados zu bringen.
    Erschöpft legte er sich auf sein Bett, kaum war Eponim Thomas Campbell gegangen. Er war schweißüberströmt, seine Glieder schmerzten und ein unangenehm flaues Gefühl breitete sich in ihm aus. Der Kongo. Das Amazonasgebiet. Kannte das menschliche Leid denn keine Grenzen? Die Welt war voller barbarischer Enklaven. Wie viele mochten es sein? Hunderte, Tausende, Millionen? Konnte man diese Hydra jebesiegen? Jedes Mal, wenn man ihr den Kopf abschlug, wuchs ein anderer, noch schauderhafterer nach. Roger schlief ein.
    Er träumte von seiner Mutter an einem See in Wales, die Sonne schien sacht durch die Kronen der hohen Eichen. Aufgewühlt sah er den muskulösen Jungen, den er morgens an der Uferpromenade fotografiert hatte. Was tat er an diesem walisischen See? Oder war es ein irischer See bei Ulster? Die zarte Gestalt Anne Jephsons war plötzlich verschwunden. Rogers Unbehagen entsprang nicht der Traurigkeit über das Schicksal dieser versklavten Menschen in Putumayo, sondern dem Gefühl, dass seine Mutter, ohne dass er sie sehen konnte, ihn von dem Hain aus beobachtete. Dennoch wuchs Rogers Erregung beim Anblick des näher kommenden Jungen, der mit nassem Oberkörper wie ein Wassergott dem See entstieg. Bei jedem Schritt traten seine Muskeln hervor, und seinen Mund umspielte ein provozierendes Lächeln, das Roger im Traum erschaudern und aufstöhnen ließ. Als er erwachte, bemerkte er voller Abscheu, dass er ejakuliert hatte. Beschämt wusch er sich und zog frische Wäsche an.
    Als er nach unten ging, fand er die Kommissionsmitglieder zutiefst betroffen vor. Die Schilderungen der anderen beiden Barbadier Dayton Cranton und Simbad Douglas waren so schonungslos gewesen wie die von Eponim. Besondere Bestürzung rief hervor, dass die beiden in erster Linie erpicht darauf waren, die Beschuldigung zu widerlegen, sie hätten die fünfzig Huitotos an die kolumbianischen Kautschukunternehmer verkauft.
    »Die Auspeitschungen, Verstümmelungen, Morde kümmerten sie nicht im Geringsten«, sagte der Botaniker Walter Folk immer wieder, der offenbar keinen Begriff davon hatte, was die Profitgier in den Menschen anrichten kann. »Solche Untaten scheinen ihnen das Selbstverständlichste der Welt.«
    »Es war mir unmöglich, Simbad bis zum Ende anzuhören«, gestand Henry Fielgald. »Ich musste den Raum verlassen, um mich zu übergeben.«
    »Sie haben doch das Dossier gelesen, das wir vom ForeignOffice bekommen haben«, erinnerte sie Roger. »Dachten Sie, die Beschuldigungen von Saldaña Roca und Hardenburg seien völlig aus der Luft gegriffen?«
    »Aus der Luft gegriffen nicht«, antwortete Walter Folk. »Aber doch übertrieben.«
    »Nach dieser Einstimmung frage ich mich, worauf wir in Putumayo stoßen werden«, meinte Louis Barnes.
    »Sie werden entsprechende Maßnahmen treffen«, vermutete der Botaniker, »und uns eine geschönte Wirklichkeit zeigen.«
    Sie wurden vom Konsul unterbrochen, das Mittagessen sei angerichtet. Roger war der Einzige, der dem Palmherzensalat und dem in Maisblätter gewickelten Fisch zusprach, die anderen brachten kaum etwas herunter. Stumm gedachten sie der Dinge, die sie von den Barbadiern gehört hatten.
    »Diese Reise wird ein Abstieg in die Hölle werden«, prophezeite Seymour Bell, der sich soeben wieder zur Gruppe gesellt hatte. Er wandte sich an Roger. »Sie haben so etwas ja schon erlebt. Man kommt also darüber hinweg.«
    »Es dauert, bis die Wunden verheilen«, gab Roger zu.
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht, meine Herren«, versuchte der gutgelaunt speisende Stirs sie aufzumuntern. »Eine erholsame Siesta, und Sie fühlen sich wieder besser. Die Unterredungen mit den Behörden und den Leitern der Peruvian Amazon Company werden wesentlich angenehmer ausfallen als mit den Schwarzen, Sie werden schon sehen.«
    Statt sich zur Siesta hinzulegen, setzte Roger sich hin und notierte, was er von dem Gespräch mit Eponim Thomas Campbell behalten hatte, sowie Zusammenfassungen der beiden anderen Aussagen. Dann schrieb er einige Fragen auf, die er nachmittags dem Präfekten Ley Rama und Pablo Zumaeta stellen wollte, Aranas Geschäftsführer und auch Schwager, wie er von Stirs wusste.
    Der Präfekt empfing die Kommission in seinem Arbeitszimmer, wo er Bier, Säfte und Kaffee anbot. Er hatte

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