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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Himmel ausnahm wie das Skelett einer vorsintflutlichen Tierart. Die Lokale ringsum hatten schon wieder geöffnet und erfüllten die Dämmerung mit Lärm und Musik.
    Die Peruvian Amazon Company befand sich in der Calle Perú, wenige Meter von der Plaza de Armas entfernt, in dem größten und solidesten Gebäude von Iquitos, einer zweistöckigen Villa mit Ziegeldach und Mosaikfassade. Die Wände im Inneren waren hellgrün gestrichen, und in dem Raum neben seinem Büro, in dem Pablo Zumaeta sie empfing, stand ein großer Holzventilator und wartete auf Strom. Trotz der drückenden Hitze trug der etwa fünfzigjährige Zumaeta einen dunklen Anzug mit gemusterter Weste und glänzende Halbstiefel. Feierlich reichte er jedem die Hand und erkundigte sich in dem singenden Spanisch der Amazonasregion, das Roger langsam vertraut wurde, ob sie gut untergebracht seien, ob Iquitos sich gastfreundlich zeige, ob sie etwas bräuchten. Und er erklärte, Julio C. Arana höchstpersönlich habe ihn aus London telegrafisch beauftragt, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu einem guten Gelingen ihrer Mission beizutragen. Bei der Erwähnung Aranas machte der Geschäftsführerder Peruvian Amazon Company eine leichte Verbeugung zu dem großen Portrait hin, das an einer der Wände hing.
    Während barfüßige indianische Dienstboten in weißen Kitteln Getränke servierten, betrachtete Roger Aranas ernstes, kantiges, dunkelhäutiges Gesicht mit dem stechenden Blick. Auf dem Kopf trug der Besitzer der Peruvian Amazon Company eine französische Baskenmütze, und sein Anzug verriet den guten Schnitt eines französischen Schneiders oder vielleicht sogar eines Herrenausstatters von der Savile Row. Ob es stimmte, dass dieser allmächtige König des Kautschuks, der Villen am Kensington Garden, in Biarritz und Genf besaß, seine Karriere als Strohhutverkäufer in den Straßen seines Heimatortes Rioja mitten im Amazonasdschungel begonnen hatte? Sein Blick zeugte von einem ruhigen Gewissen und großer Selbstgefälligkeit.
    Pablo Zumaeta kündigte ihnen durch den Dolmetscher an, das beste Schiff der Gesellschaft, die Liberal , stehe zum Ablegen bereit. Er habe ihnen den kundigsten Kapitän der Amazonasflüsse und die beste Besatzung besorgt. Trotz allem sei die Fahrt bis Putumayo beschwerlich. Je nach Wetterlage würden sie acht bis zehn Tage unterwegs sein. Und ehe eines der Kommissionsmitglieder ihm irgendeine Frage stellen konnte, beeilte er sich, Roger eine Mappe mit Papieren auszuhändigen.
    »Ich habe diese Unterlagen vorbereitet, die Ihnen einige Fragen vorab beantworten werden«, erklärte er. »Es sind die Anweisungen der Gesellschaft zur Behandlung des Personals, für die Verwalter, Vorsteher, stellvertretenden Vorsteher und Aufseher der Stationen.«
    Zumaeta sprach jetzt lauter und gestikulierte heftig, wohl um seine Nervosität zu kaschieren. Während er ihnen die dicht beschriebenen, gestempelten und unterzeichneten Dokumente vorlegte, rezitierte er im Tonfall und mit den Gesten eines öffentlichen Ausrufers, was darin stand:
    »Striktes Verbot, den Eingeborenen, ihren Frauen, Kindern oder Verwandten körperliche Strafen zuzufügen und sie mitWort oder Tat zu schmähen. Im Falle einer eindeutigen Zuwiderhandlung sollen die Täter streng ermahnt werden und eine Rüge erhalten. Im Falle schwerer Zuwiderhandlung können sie zu einer Bußstrafe verurteilt oder entlassen werden. Wenn die Zuwiderhandlung strafrechtlicher Natur ist, müssen sie der zuständigen Behörde übergeben werden.«
    Ausführlich resümierte er Anordnungen zur Vermeidung von »Übergriffen gegen die Eingeborenen«. Er räumte dabei ein, dass die Angestellten, »da die Menschen eben so sind, wie sie sind«, diese Anweisungen zuweilen missachteten. Solches Fehlverhalten aber werde vom Unternehmen bestraft.
    »Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um Übergriffe in den Kautschukstationen zu verhindern. Wenn dennoch welche begangen wurden, dann waren das Ausnahmefälle, irgendwelchen Schwachköpfen zuzuschreiben, die unsere Eingeborenenpolitik nicht respektiert haben.«
    Erschöpft von seiner langen, energischen Ansprache nahm er Platz. Mit einem bereits schweißnassen Tuch wischte er sich das Gesicht ab.
    »Werden wir in Putumayo die von Saldaña Roca und Ingenieur Hardenburg beschuldigten Plantagenverwalter antreffen, oder sind sie geflohen?«
    »Keiner unserer Angestellten ist irgendwohin geflohen«, entgegnete der Geschäftsführer der Peruvian Amazon Company

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