Der Traum des Satyrs
weil es ihm nicht gelang, sie auszurotten. Weil er nicht einmal die Quelle ausmachen konnte, die sie hervorbrachte. Es gab keine Eier, und die Innereien der weiblichen Dämonen waren mit denen der männlichen identisch. Niemand wusste, wie sie sich vermehrten.
Sie konnten doch unmöglich aus dem Nichts entstehen. Seit Jahrhunderten brachte irgendetwas sie ins Leben und zog sie hierher, um ihn und sein Volk zu attackieren. Was war es nur?
Als er später erwachte, lag er auf der Pritsche in seiner abgeschiedenen Mauernische. Dem Licht nach zu urteilen, das durch die Öffnung über ihm in den Tempel fiel, war es Mittag. Irgendwie hatte er es letzte Nacht hierhergeschafft. Ein paar Stunden der Ruhe hatten seine Gesundheit weit schneller wiederhergestellt, als es bei einem normalen Satyr der Fall gewesen wäre.
Sein Magen knurrte. Er war hungrig.
Mit der rechten Hand fuhr er sich über seine verletzten Rippen, und in der Handfläche spürte er das bösartige Summen, das ihm sagte, dass seine Gefangenen noch immer da waren. Nur vage konnte er sich daran erinnern, dass er nach seiner Ankunft hier letzte Nacht seine Wunden gereinigt hatte.
Offensichtlich hatte er den Blutfluss gestoppt und seine Verletzungen selbst genäht, denn der schartige Riss in seiner Seite fühlte sich weitgehend verheilt an und bildete nur noch eine gezackte rötliche Linie. Eine Reihe weiterer Narben stellte die geringste seiner Sorgen dar.
Schritte klapperten draußen über den Boden. Jemand näherte sich. Dem Duft nach zu urteilen, war es eine Frau. Eine, die er kannte. Als sie eintrat, setzte er sich auf, worauf ihm schwindelig wurde und die Wunde an seiner Seite zu pochen begann.
Erschöpft und misstrauisch ließ er den Blick über sie gleiten. Wie alle Frauen in der Anderwelt trug sie ein Gewand, das aus durchscheinendem Gewebe gefertigt war und ihren Körper zum Gefallen der Männer großteils zur Schau stellte. Sie hatte feste, straffe Brüste und schlanke Beine.
Sie nahm ihre Haube ab, und ein faltenloses Gesicht kam zum Vorschein. Obwohl sie deutlich älter war, sah sie aus, als wäre sie genauso jung wie er. Sie war noch immer die schöne Frau, die er seit jenem Tag vor fünfzehn Jahren im Gedächtnis hatte. Seit dem Tag, der ihrer beider Leben unwiderruflich verändert hatte.
Denn an jenem Tag war der Bewahrer in ihr Haus gekommen und hatte ihnen die unglaubliche Nachricht verkündet, dass Dominic ein Auserwählter wäre – der Nachfolger der vorherigen Dämonenhand, der nur eine Stunde zuvor gestorben war. Bis zu diesem Moment hatte niemand in seiner Familie davon gewusst.
Mit nur zehn Jahren war er zum Totenbett seines Vorgängers gebracht worden, wo er pflichtgemäß die Last der Seelen in seine rechte Hand übernommen hatte. Und dafür, dass sie ihren Sohn dem Tempel übergeben hatte, war diese Frau mit Reichtümern beschenkt worden. Mit einem Titel. Und mit lebenslanger Jugend.
Verärgert rieb er über die Bartstoppeln an seinem Kinn. »Geh weg, Mutter!«
Ihre Hand ballte sich um die Haube, die sie hielt, und sie rümpfte die Nase. »Du stinkst nach Tod. Und nach Sex.«
»Und du nach Reichtum.«
Sie fuhr mit einem manikürten Finger über die Reihe der Halbedelsteine am Ausschnitt ihres safrangelben Gewandes, von denen sich noch mehr am Saum befanden. »Ich habe für das bezahlt, was ich besitze.«
»Wie genau?« Mit teilnahmslosem Gesicht stemmte er sich auf die Füße, während er auf eine Antwort wartete, die nicht kam. Er stand unverfroren nackt vor ihr und zuckte zusammen, als er die Arme über seinen Kopf streckte.
Sie wies mit dem Kopf auf seine aufgerissene Brust. »Du bist verwundet?«
»Erspar mir deine falsche Besorgnis!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Sag, was du zu sagen hast, und dann geh!«
»Hast du sie vergewaltigt?«
Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er sie mit dem Rücken gegen die Wand gepresst, und sein Unterarm drückte schwer gegen ihren Hals. »Was weißt du darüber?«
Es war sein rechter Arm, und das untere Ende seines Handschuhs war gegen die Unterseite ihres Kinns gepresst. Mit wilden, angsterfüllten Augen, die den seinen so ähnlich waren, starrte sie auf seinen Handschuh.
»Ja, du solltest mich fürchten, Mutter. Ich habe viel über Tod und Zerstörung gelernt, seit du mich zuletzt gesehen hast. Jetzt rede!«
Die Worte kamen erstickt über ihre Lippen. »Ich weiß, dass du letzte Nacht hinübergegangen bist, auf Geheiß des Bewahrers. Ich weiß, dass ein
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