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Der Traum des Satyrs

Der Traum des Satyrs

Titel: Der Traum des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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und das Kind zu beschützen. Doch es gab noch andere, die ihn brauchten.
    Er öffnete die Tür und trat hinaus. Als er sich noch einmal zu ihr umdrehte und sprach, klang seine Stimme schroffer, als er beabsichtigt hatte. »Sag Carlo, dass er sich bei mir melden soll, falls ich gebraucht werde!«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    Mit diesen Worten schloss Emma die Tür leise, aber entschlossen und ließ ihn in der trostlosen Kühle des Morgens stehen.
    Das Portal, durch das er in die Anderwelt zurückkonnte, lag verborgen im Wald, im Herzen des Weingutes. Schweren Schrittes lief er dorthin. Er versuchte, das nagende Gefühl abzuschütteln, dass seine Aufgabe hier noch nicht beendet war. Das war nur Einbildung, eine Begleiterscheinung des Bindungsrituals.
    Er zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und stapfte zum Portal, das ihn nach Hause bringen würde. Sein Leben und seine Pflichten in der Anderwelt erwarteten ihn.
    Bald darauf fand er sich auf einem Hügel wieder, und er hielt inne, um die Schönheit um ihn herum in sich aufzunehmen. Grüne Hänge erstreckten sich rund um ihn in alle Richtungen. Alte Weinreben, die mit neu gepfropften Reben an Pfähle gebunden waren. In einigen Monaten würden sie Früchte tragen – diese Weinreben, die den Herren von Satyr, die hier weilten, Leben verliehen.
    Diese Welt stellte nicht den Greuel dar, den er erwartet hatte. Sie war nicht wie seine eigene. Hier verbrachte man die Tage damit, den Boden zu bestellen und Leben zu schaffen, anstatt es zu zerstören. Eine Existenz hier würde nicht nach Verrat und Krieg stinken wie in seiner Welt.
    Er war des Tötens müde. Vielleicht lag darin der einzige Grund, warum ihm das idyllische Bild eines Lebens mit Emma und ihrem Kind so gefallen hatte.
    Innerhalb von Minuten hatte er das Tor erreicht. Wenn er erst hindurchgegangen war, würde er sie nie wiedersehen.
    Noch immer zerrte die Bindung an seinen Sinnen und drängte ihn, zurückzukehren. Drängte ihn, das Kind zu umsorgen, das er mit auf die Welt gebracht hatte. Drängte ihn, dessen Mutter zu lieben und zu beschützen.
    Es würde schwer sein, sie zu vergessen. Doch vergessen würde er sie. Er war letzte Nacht nur ein Werkzeug gewesen, ein Körper, der gebraucht worden war, um einen neuen Auserwählten hervorzubringen. So hatte er es akzeptiert.
    Auch ohne weitere Einmischung von Dominic würde Carlo es schwer genug haben, die Verbindung zu überwinden, die vergangene Nacht geschmiedet worden war. Seine Tochter würde hier einigermaßen normal aufwachsen – zumindest so lange, bis Dominic starb.
    »Emma.« Ihr Name auf seinen Lippen mutete wie ein kaum wahrnehmbarer Seufzer an. Es war das letzte Mal, dass er ihn aussprechen würde. Sie konnte nicht ihm gehören, wie auch immer. Es würde ihr nur Schaden zufügen.
    Wenn er genug Zeit hätte und ausreichend Distanz zwischen sie beide brächte, würde er sie vergessen. Er würde andere Frauen haben.
    Ja, es war für alle das Beste, dass er ging. Und fortblieb. Diese Sehnsucht nach ihr würde mit der Zeit schwinden. Diese Begebenheit in seinem Leben war vorüber. Aus und vorbei.
    Und doch, das beinahe schwerelose Stück Tuch in seiner Tasche strafte ihn Lügen. Ein gestohlenes Taschentuch, bestickt mit ihren Initialen. Es war zu leicht, um es zu spüren, und doch fühlte er es dort, wie es sich an seine Hüfte schmiegte wie ein lebendiges Wesen. Ein Teil von ihr.
    Es war ein Talisman. Eine Erinnerung daran, dass die Notwendigkeit, am Leben zu bleiben, seit heute Nacht eine ganz neue Bedeutung für ihn bekommen hatte.
    Denn wenn er starb, würde Emmas Tochter sehr schnell herausfinden, was Hölle bedeutete.

12
    D ominic trat in die stille Höhle. Ihre Granitwände waren mit einer wundervollen Mischung an Adern aus Gold und anderen Metallen durchzogen und mit Edelsteinen und Halbedelsteinen überkrustet.
    Das federnde Moos unter seinen Füßen dämpfte seine Schritte, als er den kurzen Weg zum Tor hinter sich brachte. Er konnte es problemlos passieren, denn eine Reise in die Richtung, die er nahm, erforderte keine Einladung so wie bei Reisen in die Gegenrichtung. Ohne Carlos Begleitung hätte er gestern Nacht nicht zu Emma gehen können.
    Carlos Geruch hing noch frisch im Tunnel. Er war erst vor kurzem hier entlanggekommen. Wahrscheinlich würden ihre Wege sich wieder kreuzen, wenn auch nicht so bald. Die List hatte ihren Zweck erfüllt.
    Auf der Anderwelt-Seite des Portals bestanden die Tunnelwände aus anderen Steinen und

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