Der Traum des Satyrs
Auserwählter geboren wurde. Ich wollte nur wissen, ob seine Mutter vergewaltigt wurde. So wie ich vor fünfundzwanzig Jahren von deinem Vorgänger vergewaltigt wurde, um dich zur Welt zu bringen.«
Er sah ihr in die Augen und ließ sie dann langsam los. Das hatte er nicht gewusst. Er hatte die Dinge nie von ihrem Standpunkt aus betrachtet. Vielleicht
hatten
sie beide bezahlt für das, was er war.
Er ging in die Ecke seines Zimmers und bewegte einen Hebel über einer Basaltplatte, die zu einem Becken geformt war. Aus dem Hahn darüber rann Wasser in das Steinbecken. Er beugte sich vornüber, tauchte seinen Kopf hinein und genoss die erfrischende Kühle des Wassers. Dann richtete er sich wieder auf, griff nach einem Handtuch und rieb sich Gesicht und Haar trocken.
»Woher weißt du über meinen Aufenthalt Bescheid?«, fragte er mit dem Rücken zu ihr.
»Von mir.«
Er drehte sich um und sah den Bewahrer in der Tür zu seiner Nische stehen. Seine Mutter huschte zu ihm in die relative Sicherheit, die der ältere Mann bot.
Dominic warf das zerknitterte Handtuch auf seine Pritsche. »Ihr habt sie hergerufen? Warum, nach all der Zeit?«
»Es ist an mir, dir die heutigen Neuigkeiten mitzuteilen«, erklärte seine Mutter, nun wieder mutig, da sie im Schatten des Bewahrers stand.
»Was für Neuigkeiten?«
»Die frohe Kunde, dass du bald heiraten wirst.«
Dominic lachte, ein knirschender, skeptischer Laut, der jedoch erstarb, als ihm aufging, dass sie es ernst meinte. Sein harter Blick fiel auf den Mann neben ihr.
»Kommt mit mir!«, wies der Bewahrer ihn an.
Mit gefährlich finsterem Gesichtsausdruck machte Dominic Anstalten, zu folgen, doch der alte Mann hielt ihn mit einem Blick auf. »Kleidet Euch zuerst an! Eure Braut erwartet Euch.«
Dominic knirschte mit den Zähnen. Was war denn das für ein neues Unheil?
Schnell stieg er in Hose und Stiefel und lief dann hinter den beiden her zum zentralen Tempel. Es war das erste Mal seit einem Monat, dass er nicht die Verkleidung der Regimentsuniform angelegt hatte.
Die beiden Akolythen erwarteten sie neben dem großen Obsidianspiegel, in dem er Emma vor einem Monat zum ersten Mal gesehen hatte. Seine tintenschwarze Oberfläche war bereits aktiviert und zeigte das Abbild einer endlos rotierenden, flachen goldenen Scheibe in der Größe seines Kopfes, mit kunstvollen Gravuren auf beiden Seiten.
»Das verschollene Amulett«, erklärte der Bewahrer mit einer Handbewegung in diese Richtung. »Wir senden permanent eine Abbildung davon an die anderen Tempel und Außenposten, damit andere danach Ausschau halten und es erkennen können, sollten sie darauf stoßen.«
Auf seinen Befehl hin klatschten die Akolythen leise in ihre bleichen Hände. Daraufhin verschwand das Amulett, und an seiner Stelle erschien das Abbild einer atemberaubend schönen jungen Frau mit zwei langen blonden Zöpfen. Die untere Hälfte ihres Gesichts war verschleiert, und ihr anziehender Körper war in das traditionelle Gewand einer Jungfrau gehüllt.
Glitzernder weißer Stoff verhüllte ihre Arme von den Handgelenken bis zu den Schultern und fiel von dort bis zu ihren Füßen herab, die in Sandalen steckten. An ihrer Taille war das Gewand gerafft und wurde von einer Diamantschließe zusammengehalten. Die Brüste darüber und der Genitalbereich darunter waren unter einem hauchdünnen Stoff zur Schau gestellt. An der Rückseite ihres Kleides zog sich eine meterlange, peinlich genau arrangierte Schleppe aus wallendem Stoff in dunklem Pink hinter ihr her.
Die Augen bescheiden gesenkt, stand sie da, bereit, ihrem Schicksal zu begegnen.
Eine Ansammlung von Leuten, wohl ihre Verwandten, lungerte im Hintergrund herum. Offenbar waren sie hier zusammengekommen, um dem ersten Treffen der beiden beizuwohnen. Dominic konnte sich gut vorstellen, wie seine blutbesudelte, weitgehend ungewaschene Erscheinung auf sie wirkte.
»Meine Braut?«, fragte er spöttisch.
»Eine Tochter von König Feydon und einer seiner Konkubinen hier in der Anderwelt«, erklärte man ihm.
Der Bewahrer schnippte mit den Fingern, und der Schleier des Mädchens wehte wie von Zauberhand davon. »Diese Heirat wird Satyrn und Feen noch enger verbinden. In Zeiten des Krieges ist es weise, sich Verbündete zu schaffen. Ihre Familie erweist Euch eine große Ehre, indem sie Euch dieses Mädchen anbietet.«
»Cey!«, schalt einer der Verwandten im Hintergrund. Daraufhin hob das Mädchen für einen Augenblick seine Augen, sah Dominic verängstigt
Weitere Kostenlose Bücher