Der Traum des Satyrs
jemanden – so verzweifelt zu begehren. Die Akolythen neben ihm registrierten seinen hungrigen Gesichtsausdruck, und er konnte das Summen der besorgten Gedanken, die sie austauschten, hören.
»Ihr könnt gehen«, brummelte er, und noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, waren sie bereits dabei, zu verschwinden, seinen Wunsch vorausahnend, noch bevor er ihn ausgesprochen hatte.
Sie würden dem Bewahrer erzählen, was er sich von ihnen im Spiegel hatte zeigen lassen. Irgendwo im verschlungenen Inneren des Tempels würden sie sich zusammendrängen und sich die ganze Nacht lang Sorgen darüber machen, was das zu bedeuten hatte und welche Konsequenzen sein merkwürdiges Interesse an der Mutter der Auserwählten haben könnte. Die Bestürzung war schon groß genug gewesen, als er sie vor einer Woche geheiratet hatte, denn damit hatte er gegen seine Anweisungen verstoßen – zum ersten Mal in seinem Leben.
Die schweren Bronzetüren am Eingang zu dem mächtigen Hauptschiff des Tempels schlossen sich dröhnend hinter den Akolythen. Dominic konnte hören, wie Metall schwer über Metall schrammte, als die Türen für die Dauer der Vollmondnacht gegen Eindringlinge versiegelt wurden.
Nun war er so gut wie allein. Nur die Statuen, Reichtümer, Artefakte im Überfluss, und ein paar Wachen und Dienstboten blieben hier mit ihm eingeschlossen. Niemand würde es wagen, ihn zu stören, außer, er würde nach jemandem verlangen.
Anders als in der Erdenwelt würde diese besondere Nacht beinahe zweiunddreißig Stunden lang dauern. Der Mond würde sich allerdings nur in den nächsten acht Stunden zeigen. Die jeweils zwölf Stunden völliger Dunkelheit davor und danach waren die gefährlichsten des Monats, da die Dämonen dann besonders aktiv waren.
Im Spiegel sah er, dass Emma einen Schildpattkamm aufgenommen hatte und damit ihr Haar kämmte. Die Dienstbotin, die sich mit ihr im Zimmer befand, war unruhig und warf einen verstohlenen Blick auf den Spiegel. Sie war eine Hamadryade, ein Geschöpf der Nacht, das mit einer außergewöhnlichen Wahrnehmung ausgestattet war. Konnte sie spüren, dass er zusah?
Als würde sie seine unausgesprochene Sehnsucht spüren, begann die Bedienstete, Emma dabei zu helfen, sich aus dem Badetuch zu schälen. Seine Finger zuckten, als er das weiche verführerische Nest ihrer Scham erblickte, nur einen kurzen Augenblick bevor sie in ein Nachtkleid gehüllt wurde, das all ihre Reize verbarg.
Er stieß ein tiefes protestierendes Grollen aus, doch er konnte nichts tun, als frustriert dabei zuzusehen, wie das Kleid über Emmas Körper glitt. Es hatte einen sittsamen Ausschnitt, war absolut undurchsichtig und in seiner Gestaltung noch konservativer als jenes, das sie letzten Vollmond getragen hatte, als er sich mit ihr vereinigte. Als die Bedienstete ihr dann auch noch einen dazu passenden Morgenrock anlegte, erfüllten seine deftigen Flüche die Luft. Er hatte ganz vergessen, dass sie so verdammt viel Kleidung trug. Er wollte sie nackt!
Emma wandte sich nach rechts und verschwand kurz aus dem Bild im Spiegel. Als sie wieder auftauchte, hielt sie ein Bündel aus blassgelben Decken in ihren Armen, aus dem sich eine kleine Faust reckte. Rose.
Sie trug ihr kostbares Päckchen zu einem zerbrechlich wirkenden Stuhl und setzte sich. Mit einer kurzen Bewegung ließ sie den Morgenrock von ihrer Schulter gleiten, und ihr Kleid sank vorn herab und enthüllte die Wölbung einer Brust. Sie wollte ihr Kind stillen.
Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als das Baby an ihrer Brust zu saugen begann. Diese friedliche Szene war wie Balsam für Dominics Wunden, ein Heilmittel für das Unheil in seiner silbernen Hand.
Und nun presste er ebendiese Hand auf seine nackte Brust und wünschte sich, er könnte damit aufhören, mehr zu wollen als die Pflicht, die das Leben ihm zugedacht hatte. Das Böse in seiner Hand prickelte an seiner Haut wie gedämpfte Entladungen wütender Blitze.
Plötzlich störte etwas Unwillkommenes und Fremdartiges seine Betrachtung von Emma. Ein süßlicher Duft stieg ihm in die Nase. Blindlings ließ er seinen rechten Arm vorschnellen, und seine Finger schlossen sich um einen anderen Arm. Den Arm einer Frau.
20
M it einem Ruck zerrte er die Frau in den Schein des künstlichen Lichts, das von dem Spiegel ausging. Mit beiden Händen packte er sie an den Schultern und hob sie hoch, so dass sie vor ihm in der Luft baumelte.
Silber traf auf Zinn, als sie sich gegenseitig prüfend
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