Der Traum des Teufels
Sie würden ihn später schon wieder auftreiben. Von wegen Falle, der Kerl hat Leander ganz bewusst weggelockt, sendete Stuart mental in Jasons Kopf. Dieser nickte kaum merklich. Hatte der andere Vampir diesen Gedanken auch gehört? Er ließ sich zumindest nichts anmerken. "Vorwärts!" ertönte es nur aus seinem Munde. Stuart öffnete die Zimmertür und ging zu seinem Rucksack. Es dauerte nicht lange, da fischte er das Werk des Todesengels unter seinen Sachen hervor.
"Her damit", forderte Chyriel ungeduldig und streckte die rechte Hand aus. Sein gieriger Blick auf das Unikat bestätigte, dass er es wiedererkannte. Es stammte aus der Bibliothek von Atlantis und wurde einst von ihm gehütet. Der entscheidende Moment war gekommen. Was würde Stuart tun? Langsam näherte sich der junge Vampirfürst dem Priester von Atlantis. Die Morgensonne lugte bereits durch die zugezogenen Vorhänge und warf ein abstraktes Muster auf den Teppich. Der Unbekannte achtete nicht auf Jason und war völlig auf das Buch fixiert. Dann ging alles ganz schnell.
* * *
Inzwischen waren auch Sybille Berger und zwanzig ihrer Leute in dem verlassenen Anstaltskomplex eingetroffen. Sie trugen Sonnenbrillen und erinnerten an eine Gangstertruppe aus den zwanziger Jahren, wären sie weniger lässig gekleidet gewesen.
Der Halbengel und seine drei Begleiter kamen gerade die Treppe in die Eingangshalle hinunter. "Ihr kommt zu spät", meinte Shane zu ihnen, der als erster unten war. "Der Kerl ist geröstet und gut durch."
Erstaunt nahm Sybille die schwarze Brille ab. "Selbstmord?" Sie war, wie immer, adrett und elegant gekleidet. Der schwarze Hosenanzug wurde nur durch das weiße Spitzentop aufgelockert. Leander musste zugeben, dass ihm diese Frau imponierte.
Leander und die anderen kamen hinzu. "Nein, das hat jemand gut inszeniert, nehme ich an", sagte der Atlanter. Er nahm einen Hauch von Poison wahr, als er neben ihr stand. Passt gut zu einer Hybridin, musste er unwillkürlich denken. Sybille schickte ihre Leute nach Hause: "Es gibt nichts mehr für uns zu tun. Danke, dass ihr gekommen seid."
"Dann hat ihn sein eigener Erschaffer hingerichtet?", mutmaßte sie nun und blickte dem Halbengel direkt in die Augen. Wenn ich eine Seele hätte, würde er sie erkennen. Dieser nickte. "Ich nehme es an. Allerdings wüsste ich keinen Grund dafür."
"Hatte vielleicht ein schlechtes Gewissen", sagte Weston.
"Kaum, mit einem Gewissen hätte er ihn gar nicht erst gewandelt. Mich würde interessieren, wie er es geschafft hat. Hier sind keinerlei Anzeichen eines Kampfes", warf Miles ein.
Diese Frage konnte so rasch niemand beantworten, nur in Leanders Kopf formte sich eine vage Vorstellung. Es gab nur eine Möglichkeit, einen Vampir zu einer Art Marionette zu machen. "Ich nehme an, wie die Vertrauten es machen", äußerte er sich dazu.
"Wie soll das gehen? Wie kann er gleichzeitig Erschaffer und Vertrauter sein?", fragte Miles verwirrt.
"Er war Dhrakors Vertrauter, sein Erstgeschöpf, und ich schätze, er besitzt auch diese magische Fähigkeit, sich Vampire gefügig zu machen. Eine andere Erklärung gibt es für mich nicht", erläuterte Leander Knight.
"Jedenfalls können wir froh sein, dass er für immer weg ist", sagte Sybille erleichtert und ging einige Schritte in der Halle hin und her. "Diese Atmosphäre ist grauenvoll. Nirgendwo habe ich je so viel Leid und Angst gespürt wie hier."
"Ich kenne da noch andere Orte", sagte Leander leise, der ihr mit den Augen gefolgt war. "Aber ich gebe dir Recht. Dies ist ein Ort, den man besser dem Erdboden gleichmacht."
"Das können meine Jungs erledigen", schlug sie vor.
Der Atlanter antwortete nicht sofort. "Was ist los?", fragte die schöne Hybridin dann. "Nur so ein Gedanke...wegen der Inszenierung...", Leander stockte. "…er muss doch einen Grund gehabt haben, Mengele zu opfern."
Stille.
"Er wollte uns aus dem Haus haben. Aber warum?", sprach Miles das aus, was alle dachten.
"Bestimmt nicht, um antike Möbel zu klauen", warf Shane ein. Auch in seinem Gesicht zeichnete sich Besorgnis ab.
"Finden wir es raus", schlug Leander vor und streckte seine Hand aus. Diesmal schloss sich Sybille ihrem Kreis an.
* * *
Es herrschte eine dämmrige Stille in der Stadtvilla, als sich die vier Männer mit Sybille Berger dort wieder einfanden.
"Die pennen wohl noch", entfuhr es Shane unwillkürlich, nachdem er mehrmals Jasons und Stuarts Namen gerufen hatte. Wer weiß,
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