Der Traum des Wolfs
Zimmer.
Licht blitzte auf, begleitet von einem Donnerschlag. Gawyn fühlte, wie sich etwas Starkes um ihn legte; unsichtbare Bänder rissen ihn in die Luft. Sein Schwert landete auf dem Boden, sein Mund füllte sich mit einer unsichtbaren Macht.
Und so hing er entwaffnet und zappelnd an der Decke, als die Amyrlin aus dem Schlafzimmer kam. Sie war wach und voll bekleidet mit einem blutroten Kleid, das mit goldenen Stickereien verziert war.
Sie sah nicht erfreut aus.
Mat saß neben dem Kamin des Gasthauses und wünschte sich, das Feuer wäre weniger warm gewesen. Die Hitze konnte er noch durch die Schichten seiner zerlumpten Jacke und das weiße Hemd spüren; dazu trug er die dicke Hose eines Tagelöhners. Die Stiefel an seinen Füßen hatten gute Sohlen, die aber an den Seiten abgelaufen waren. Er trug keinen Hut, und sein Halstuch verdeckte die untere Gesichtshälfte, als er sich auf dem Stuhl aus Bergeiche zurücklehnte.
Elayne hatte noch immer sein Medaillon. Ohne es fühlte er sich nackt. Neben seinem Stuhl lehnte ein Kurzschwert, aber das sollte bloß ablenken. Daneben stand ein unschuldiger Wanderstab; im Zweifelsfall würde er den benutzen oder die unter der Jacke verborgenen Messer. Aber das Schwert war deutlich sichtbar, und es würde die Diebe, die durch die Straßen von Niedercaemlyn streiften, zweimal darüber nachdenken lassen, ob er ein lohnendes Ziel war.
»Ich weiß, warum Ihr nach ihm fragt«, sagte Chet. In beinahe jeder Schenke gab es einen Mann wie Chet. Alt genug, um Männer wie Mat geboren, aufwachsen und sterben zu sehen, und bereit, über die vielen Jahre zu reden, falls man sie nur ausreichend abfüllte. Und manchmal war auch das überflüssig.
Die Bartstoppeln in Chets langem Gesicht waren grau, und er trug eine schiefe Mütze. Sein geflickter Mantel war einst schwarz gewesen, und die roten und weißen Insignien auf der Tasche waren zu verblichen, um sie noch lesen zu können. Sie wirkten militärisch, und für gewöhnlich trug man von Kneipenschlägereien nicht so böse Narben davon, wie er sie an Wange und Hals hatte.
»Aye«, fuhr Chet fort, »viele erkundigen sich nach dem Anführer dieser Bande. Nun, ich weiß diesen Becher Ale zu schätzen, also lasst mich Euch einen Rat geben. Ihr bewegt Euch, als wüsstet Ihr, welches Ende des Schwerts für den Kampf bestimmt ist, aber Ihr wärt ein Narr, wenn Ihr den herausfordert. Prinz der Raben, Herr des Glücks. Er ist dem Tod selbst entgegengetreten und hat um seine Zukunft gewürfelt. Hat nie einen Kampf verloren.«
Mat sagte nichts. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Das war an diesem Abend bereits die vierte Schenke, und in drei davon hatte er Gerüchte über Matrim Cauthon in Erfahrung bringen können. Kaum auch nur eine Spur Wahrheit dabei. Blut und verdammte Asche!
Oh, sicher, es gab auch Geschichten über andere Leute. Hauptsächlich über Rand, und jede von ihnen hatte die Farben in seinem Kopf wirbeln lassen. Tear war an die Seanchaner gefallen, nein, an die Illianer, nein, Rand hatte sie alle besiegt und kämpfte im Augenblick in der Letzten Schlacht. Nein! Er besuchte Frauen im Schlaf und schwängerte sie. Nein, das war der Dunkle König. Nein, Mat war der Dunkle König!
Verfluchte Geschichten. Ein paar davon konnte er zur Bande zurückverfolgen - wie die Geschichte über die Stadt voller Toten, die zu neuem Leben erwachte. Aber viele der Erzähler behaupteten, dass sie die Geschichten von ihrem Onkel oder Vetter oder Neffen hatten.
Mat schnippte Chet eine Kupfermünze zu. Der Mann tippte sich höflich an die Mütze und ging los, um seinen Becher auffüllen zu lassen. Mat verspürte keine Lust, etwas zu trinken. Er hatte den Verdacht, dass sich diese Geschichten nur deshalb so schnell verbreiteten, weil diese Bilder von ihm im Umlauf waren. In der letzten Schenke hatte tatsächlich jemand eine zerknitterte und gefaltete Kopie des Bildes aus der Tasche gezogen und ihm gezeigt. Bis jetzt hatte ihn allerdings noch niemand erkannt.
Das Kaminfeuer prasselte vor sich hin. Niedercaemlyn wuchs, und geschäftstüchtige Leute hatten erkannt, dass Unterkünfte und Getränke für Durchreisende einen ordentlichen Profit ergeben würden. Also verwandelten sich Bretterhütten in Schenken, und Schenken in richtige Gasthäuser.
Die Nachfrage nach Holz stieg stetig, und einige der Söldnergruppen betätigten sich als Holzfäller. Einige arbeiteten ehrlich und bezahlten die fälligen Abgaben für die Königin. Andere scherten sich
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