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Der Traum des Wolfs

Der Traum des Wolfs

Titel: Der Traum des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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im geheimsten ihrer Verstecke, kam seine Ankunft nicht überraschend. Vor dem Großen Herrn konnten sich die Auserwählten nicht verstecken.
    Das Versteck war kein Palast, kein prächtiges Herrenhaus oder eine uralte Festung. Es war eine Höhle auf einer Insel, die niemanden interessierte, in einem Teil des Aryth-Meeres, den nie jemand besuchte. Soweit Graendal bekannt war, gab es in ihrer Nähe nichts, das auch nur im Entferntesten für andere von Interesse war.
    Die Unterbringung war einfach nur schrecklich. Sechs ihrer unbedeutenderen Schoßtiere kümmerten sich um den Ort, der bloß aus drei Gemächern bestand. Den Eingang hatte sie zugemauert, der Zugang war nur mit einem Wegetor möglich. Für frisches Wasser sorgte eine Naturquelle, das Essen kam von vorher angelegten Vorräten und die Atemluft durch Spalten. Es war feucht, und es war erbärmlich.
    Mit anderen Worten, es war genau die Art von Ort, an dem sie niemand erwarten würde. Es war allgemein bekannt, dass sie es nicht ertragen konnte, auf Luxus zu verzichten. Das stimmte. Aber das Beste daran, vorhersehbar zu sein, bestand darin, dass es einem erlaubte, das Unerwartete zu tun.
    Unglücklicherweise traf das nicht auf den Großen Herrn zu. Sie betrachtete das offene Wegetor vor ihr von dem mit gelber und blauer Seide bespannten Sessel. Der Bote war ein Mann mit flachen Zügen und tief gebräunter Haut, der Schwarz und Rot trug. Er brauchte nichts zu sagen - seine Anwesenheit war die Botschaft. Eines ihrer Schoßtiere, eine wunderschöne schwarzhaarige Frau mit großen braunen Augen, die einst eine tairenische Hochlady gewesen war, starrte das Wegetor an. Sie sah ängstlich aus. Graendal teilte das Gefühl.
    Sie klappte die in Holz eingebundene Ausgabe von Ein Licht im Schnee zu und stand auf. Gekleidet war sie in ein Gewand aus schwarzer Seide mit eingearbeiteten Streifen aus Streith. Sie trat durch das Tor und gab sich alle Mühe, Selbstvertrauen auszustrahlen.
    Moridin stand in seinem schwarzen Steinpalast. Der Raum wies keine Möbel auf, da war nur der Kamin, in dem ein Feuer brannte. Beim Großen Herrn! Ein Feuer an einem so warmen Tag? Sie behielt ihre Haltung bei und fing nicht an zu schwitzen.
    Er wandte sich ihr zu; schwarze Flecken aus Saa trieben durch seine Augen. »Ihr wisst, warum ich Euch rief.« Das war keine Frage.
    »Das tue ich.«
    »Aran’gar ist tot, ist für uns verloren - und das, nachdem der Große Herr beim letzten Mal ihre Seele verwandelte. Man könnte glauben, Ihr macht Euch so etwas zur Gewohnheit, Graendal.«
    »Ich lebe, um zu dienen, Nae’blis.« Selbstvertrauen! Sie musste zuversichtlich erscheinen.
    Er zögerte nur kurz. Gut. »Sicherlich wollt Ihr doch nicht andeuten, dass Aran’gar zum Verräter wurde.«
    »Was?«, sagte Graendal. »Nein, natürlich nicht.«
    »Und warum sollte Euer Tun dann ein Dienst sein?«
    Graendal zwang einen Ausdruck besorgter Verwirrung aufs Gesicht. »Ich führte doch nur den Befehl aus, den man mir gab. Bin ich denn nicht hier, um ein Lob zu empfangen?«
    »Ganz im Gegenteil«, sagte Moridin trocken. »Eure vorgetäuschte Verwirrung funktioniert bei mir nicht, Frau.«
    »Das ist nicht vorgetäuscht«, sagte Graendal und bereitete ihre Lüge vor. »Natürlich erwartete ich nicht, dass der Große Herr begeistert sein würde, einen der Auserwählten zu verlieren, aber das Ergebnis war offensichtlich den Preis wert.«
    »Welches Ergebnis?«, knurrte Moridin. »Ihr habt Euch überrumpeln lassen und törichterweise das Leben eines der Auserwählten verloren! Wir hätten uns darauf verlassen sollen können, dass gerade Ihr von allen Leuten Euch nicht von al’Thor ein Bein stellen lasst.«
    Er wusste nicht, dass sie Aran’gar gefesselt und zum Sterben zurückgelassen hatte, er hielt es für ein Missgeschick. Gut. »Mich überrumpeln lassen?«, sagte sie und klang entsetzt. »Ich habe mich nie … Moridin, wie könnt Ihr auch nur glauben, ich hätte mich zufällig von ihm finden lassen!«
    »Ihr habt es absichtlich getan?«
    »Natürlich«, antwortete Graendal. »Ich musste ihn beinahe an die Hand nehmen, um ihn zu Natrins Hügel zu führen. Lews Therin konnte doch nie die Tatsachen erkennen, die er vor der Nase hatte. Moridin, versteht Ihr denn nicht? Wie wird Lews Therin auf das reagieren, was er getan hat? Eine ganze Festung, eine Miniaturstadt mit Hunderten von Bewohnern zu vernichten? Unschuldige zu töten, um sein Ziel zu erreichen? Wird ihm das gleichgültig sein?«
    Moridin zögerte. Nein,

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