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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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gewesen, ihn vergessen und in die Diskretion meines Hochschullehrerdaseins zurückkehren zu können. Aber nun war ich Stadtgespräch. Der Artikel beschrieb, wie ich verzweifelt auf dem Dach des Alpha-Gebäudes stand und von einem Sonderling gerettet wurde, dessen Namen niemand kannte.
    Ich war völlig niedergeschmettert. Dimas und Bartholomäus hatten ja, ganz im Gegensatz zu mir, nichts zu verlieren. Mein Image hatte ich immer äußerst sorgfältig gepflegt. Nun würden sich meine Gegner an der Universität in aller Öffentlichkeit über mich lustig machen! Die ewigen Spötter würden kein gutes Haar an mir lassen.
    Was war ich doch für ein Esel! Ich hatte mich still und heimlich von der Bühne zurückziehen wollen und dabei aber auch wirklich alles falsch gemacht. Vor aller Augen hatte ich mich blamiert. Was für eine Publicity! Ich war so gekränkt, dass ich am liebsten sämtliche Exemplare der Zeitungsausgabe einkassiert und verbrannt hätte. Ich wollte protestieren, dass ohne meine Einwilligung ein Foto von mir veröffentlicht worden war. Ich wollte den Journalisten wegen Rufschädigung verklagen. Der Artikel war diffamierend, da er behauptete, ich hätte es auf öffentliche Aufmerksamkeit angelegt. Außerdem wurde der Psychiater mit der Äußerung zitiert, mein Retter sei ein Psychopath, der die öffentliche Ordnung gefährdete. Wie in einem auf den Kopf gestellten Hollywoodstreifen war mein Schutzengel also nicht etwa ein Held, sondern ein Bösewicht.
    Der Meister, der sich mit seinen beiden anderen Schülern auf die Bank neben mir gesetzt hatte, beobachtete mich nur. Aus Achtung vor meinem Schmerz wartete er schweigend ab, doch die Wogen meiner Verzweiflung glätteten sich nicht. Stattdessen überschlugen sich meine Gedanken, während ich mir vorstellte, wie alle meine Kollegen und Studenten den Artikel lasen. Ich war Dekan der soziologischen Fakultät und hatte noch nie vor einem anderen Hochschullehrer oder gar einem Studenten den Kopf eingezogen. Ich schien unschlagbar und hasste beschränkte Gemüter, doch meine eigene Beschränkung war mir verborgen geblieben. Ich war ein Profi darin, mir Feinde zu machen, hatte aber keine Ahnung, wie man Freunde gewinnt.
    »Was die jetzt wohl von mir denken? Ein Lebensmüder mit einem komischen Kauz als Schutzgeist! Und als ob das noch nicht reichen würde, tanzt er nach dem Drama auch noch fröhlich mitten auf der Straße herum! Die halten mich doch für völlig übergeschnappt und werden verbreiten, ich hätte über Durchgeknalltheit habilitiert.«
    Ich hatte die kühnsten Träume meiner Rivalen Mario Vargas und Antonio Freitas und aller anderen erfüllt und ihnen gratis geliefert, was sie brauchten, um mein Image in den Schmutz zu ziehen. Völlig niedergeschlagen folgerte ich, dass meine Hochschulkarriere wohl beendet war. Ich würde nie mehr denselben ehrfürchtigen Respekt ernten, wenn ich gesellschaftskritische Gedanken äußerte, jemand anderem widersprach oder ihn gar korrigierte. Das Unbehagen an der Kultur hatte sich bis in die tiefsten Windungen meines Gehirns hineingefressen.
    Ich begann, den Schreiberling zu hassen, der den Artikel verfasst hatte. Diese Leute sollten schon im Studium am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, diffamiert zu werden, damit sie lernen, Fakten zu recherchieren, anstatt den guten Ruf ihrer Mitmenschen zu ruinieren.
    Was für die Journaille ein gefundenes Fressen war, war für mich immerhin meine Geschichte, die mich ausmachte und die ich daher bewahrte, trotz aller Nöte und Schrecken. Und nun erlebte ich, wie wenige Minuten ein Leben verändern können. Wie sollte ich je in meine frühere Existenz zurückkehren? Für die anderen würde ich nie mehr der sein, der ich einmal war. Geblieben war mir nur noch das verrückte Projekt eines Sonderlings, für das ich jede intellektuelle, soziale und finanzielle Sicherheit fahren lassen musste. Und nicht nur das: Zu allem Überfluss scharte er auch noch Leute um sich, die ich nie toleriert hätte und mit denen ich eigentlich nichts zu tun haben wollte.
    Ich hatte viele Jahre unter dem schützenden Dach der Alma Mater verbracht, und nun, da ich mich zum ersten Mal hinter all meinen Titeln hervorgetraut und als einfacher Sterblicher zu erkennen gegeben hatte, bekam ich Prügel. Ich war empört, doch plötzlich, während ich noch im Sumpf meiner Verzweiflung feststeckte, hatte ich eine weitere Eingebung.
    Aus dem Augenwinkel konnte ich den Meister sehen, und mir fiel wie Schuppen von den

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