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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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Gesellschaft Europas und später große Teile der Gesellschaften Amerikas, Afrikas und Asiens errichtet. Sie ist die Grundlage der Menschenrechte und unserer sozialen Werte.
    Doch im Laufe der Jahrhunderte wurde ihre Botschaft selbstverständlich, und in den Kirchen machte sich der Konformismus breit. Heutzutage begehen dort Millionen von Menschen Geburt, Wirken, Tod und Auferstehung Christi, ohne sich eine Vorstellung davon zu machen, wie es ist, umherzuziehen und unter freiem Himmel zu nächtigen, für verrückt erklärt zu werden, gesellschaftlich im Abseits zu stehen. Den Druck, unter dem die Jünger standen, als sie dem geheimnisvollen Propheten folgten, können sie nicht mehr nachfühlen.
    Ich dachte an ihre unbequemen Strohlager, ihre verzweifelten Versuche, Eltern und Freunden in Galiläa das Unerklärliche zu erklären. Wie hätten sie erzählen sollen, dass ihre Liebe einem Mann galt! Sie wären gesteinigt worden. Sie konnten nicht darauf verweisen, Teil eines großen Projekts zu sein, denn dieses Projekt war nicht fassbar. Sie konnten nicht sagen, dass sie einem mächtigen Mann, dem Messias, folgten, denn dieser wollte anonym bleiben. Was für ein Mut, seinem Ruf zu folgen!
    Es war Bartholomäus, der meine Gedanken unterbrach und mich wieder in die Wirklichkeit zurückholte. Ich weiß nicht, ob er mich lobte oder beleidigte: »Hey, Super-Ego, wenn du ein Schwächling bist und abhaust, dann müssen wir das respektieren. Aber du bist wichtig für’s Team.«
    Ich atmete tief durch und dachte an den Mann, der meinen Selbstmord verhindert und mich dazu gebracht hatte, unter einer Brücke zu schlafen. Er war nicht Jesus, kein Messias und kein Wundertäter; er versprach weder das Himmelreich noch irdische Reichtümer; er hatte weder Auto noch Krankenversicherung, er war blank. Aber er hatte Charisma, denn er lebte die Kunst der Solidarität und träumte davon, die Menschen aus ihrer Egozentrik zu befreien und dem System die Stirn zu bieten.
    Ich fragte mich aber auch, ob es nicht ungefährlicher wäre, das gesellschaftliche Irrenhaus in Ruhe zu lassen. Sollten die Leute doch Individualismus und Oberflächlichkeit frönen und sich in der bunten Warenwelt verlieren, anstatt über das Geheimnis der Existenz nachzudenken! Wir waren doch viel zu klein, um gegen das mächtige System anzukämpfen. Womöglich würden wir noch im Gefängnis landen; auf jeden Fall würden wir weiter verleumdet und verhöhnt werden.
    Während sich mein Gedankenkarussell immer schneller drehte, bewies der Meister eine Engelsgeduld. Nachdem er lange geschwiegen hatte, begegnete er meinen Ängsten mit einem einfachen, fast naiven Gleichnis: »In einem großen Waldgebiet gab es einmal eine Sintflut. Das Weinen der Wolken, das Leben spenden sollte, brachte diesmal den Tod. Auf der Flucht vor dem Ertrinken ließen die großen Tiere sogar ihre Jungen zurück und zertraten alles, was ihnen in die Quere kam. Die kleineren Tiere liefen ihnen hinterher. Plötzlich kam ihnen eine kleine, völlig durchnässte Schwalbe entgegen. Sie war auf der Suche nach jemandem, den sie retten könnte. Die Hyänen schauten auf und riefen ihr erstaunt zu: ›Du bist verrückt! Was willst du denn schon tun, so klein und schwach, wie du bist?!‹ Die Geier krächzten: ›Traumtänzerin!‹ Wo immer die kleine Schwalbe vorbeikam, machten sich die Tiere über sie lustig. Sie jedoch suchte eifrig nach jemandem, den sie retten könnte. Ihr Flügelschlag war schon sehr müde, als sie ein Kolibriküken sah, das verzweifelt gegen das Wasser kämpfte und schon aufgeben wollte. Obwohl sie nie tauchen gelernt hatte, stürzte sie sich ins Wasser und packte das winzige Vögelchen mit letzter Kraft am linken Flügel. Dann flog sie zurück, das Kolibriküken im Schnabel. Auf dem Rückweg traf sie wieder auf Hyänen, die ihr nachriefen: ›Du spinnst! Willst wohl die Heldin spielen!‹ Aber die Schwalbe flog weiter und ruhte sich erst aus, als sie den kleinen Kolibri völlig ermattet an einem sicheren Ort abgesetzt hatte. Später traf sie dieselben Hyänen unter einem schattigen Baum wieder. Sie schaute sie an und sagte schließlich: ›Ich habe meine Flügel nur verdient, wenn ich sie nutze, um andere zum Fliegen zu bringen.‹«
    Nachdem er tief Atem geholt hatte, fuhr der Traumhändler fort: »In der Gesellschaft gibt es viele Hyänen und Geier. Erwartet nicht zu viel von den großen Tieren. Etwas Besseres als Unverständnis, Ablehnung, Verleumdung und ein krankhaftes

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