Der Traumhändler
Augen, dass das Komma, das er mir verkauft hatte, damit ich meine Geschichte weiterschreiben würde, in hervorragender Weise seinen Dienst tat. Es erlaubte mir nämlich, meine tiefe Frustration, so unangenehm sie auch war, zu empfinden und gerade dadurch meine Lebendigkeit unter Beweis zu stellen. Empfindungen haben nur die Lebenden; die Toten fühlen nichts.
Um ein Haar wäre ich am Fuß des Alpha-Gebäudes auf dem Trottoir zerschellt. Ich sollte also das Leben feiern! Doch auch wenn meine unterbewussten Konflikte abgeschwächt worden waren, bestimmten sie mich immer noch. Zwar wünschte ich mir ein einfaches, ruhiges Leben, in dem ich keine Fassade mehr aufrechterhalten musste, aber Angst und Sorge hatten mich weiterhin fest im Griff.
Sogar die schlimmsten Erlebnisse führen nicht automatisch dazu, dass man seinen Panzer ablegt. Ich musste an den Vater eines Kollegen denken, der sechs Monate lang Opfer einer Entführung gewesen war. Er war ein arroganter, streitsüchtiger alter Herr voller Vorurteile gewesen, und als er wieder freikam, erwarteten alle, dass diese schreckliche Erfahrung ihn verändert hätte. Doch statt eines sanften, großzügigen und selbstlosen Menschen begegnete uns jemand, der noch unerträglicher geworden war.
Meine Herrschsucht war immer unter dem Mantel meiner hohen Bildung verborgen geblieben. Sie war auch nicht vom Sturm weggefegt worden, der mich auf das Hochhausdach getrieben hatte. Traurig stellte ich fest, dass selbst das Handeln mit Träumen ein egozentrisches Subjekt wie mich nicht so leicht verändern würde.
Nicht der Schmerz an sich bessert uns, wie wir seit Tausenden von Jahren glauben, sondern der intelligente Umgang mit ihm. Wenn ich meinen Schmerz nicht nutzte, um zu lernen, würde ich nicht gesunden. Ich wäre zwar hoch gebildet, emotional aber völlig unterentwickelt.
Während ich noch darüber nachdachte, kam mir die Gegenwart des Meisters wieder zu Bewusstsein. Er schien in den Strudel meiner Gedanken hineingezogen worden zu sein, und sein Gesicht verriet Sorge. Im Versuch, die Wogen meiner Gefühle zu glätten, sagte er: »Fürchten Sie nicht, was andere sagen. Fürchten Sie Ihre eigenen Gedanken, denn nur sie können Ihre Seele zerstören.«
Ich wurde nachdenklich, und er fuhr fort: »Jemand kann Ihnen gegen Ihren Willen das Fell über die Ohren ziehen, aber er wird niemals in Ihre Seele vordringen, wenn Sie es nicht erlauben. Lassen Sie es nicht zu, dass Ihnen die Seele geraubt wird! Jeder ist, wie er ist.« Dann forderte er mich noch stärker heraus, als ich es mir je hätte vorstellen können: »Der Preis, ein Traumhändler zu sein, ist hoch, aber Sie sind nicht verpflichtet, ihn zu zahlen. Sie haben die Freiheit, zu gehen.«
Ich war in einer Zwickmühle. Einerseits konnte ich auf der Stelle kehrtmachen und gehen, wohin ich wollte. Andererseits: Wollte ich jetzt etwa kapitulieren? Ich hatte immer hartnäckig für meine Ziele gekämpft. Da kam mir eine soziologische Studie über das Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern in den Sinn, die ich irgendwann einmal gelesen hatte, und ich begann, psychische und soziale Wahrheiten zu verstehen, über die ich noch nie nachgedacht hatte.
Welch unvorstellbare Wirkung hatten Jesu Worte und Taten entfaltet, dass sie junge Menschen – einige sogar Familienväter und Geschäftsleute – dazu bringen konnten, alles stehen und liegen zu lassen und sich ihm anzuschließen! Sie mussten ja verrückt geworden sein, einem Unbekannten ohne Macht und Einfluss blind zu folgen! Sie ließen ihre Familie, ihre Freunde, ihre Angelegenheiten zurück, obwohl er ihnen weder Geld noch Macht noch andere Annehmlichkeiten versprochen hatte. Was für ein Risiko! Wie groß wohl die inneren Kämpfe waren, die sie ausgefochten hatten! Alles hatten sie aufgegeben, und am Ende verloren sie auch den Mann, der sie das Lieben gelehrt hatte. Er starb keinen Heldentod, sondern ergeben am Kreuz. Liebend und verzeihend tat er den letzten Atemzug. Nach seinem Tod hätten sich seine Anhänger in alle Winde zerstreuen können, doch sie wurden von einer rätselhaften Kraft erfüllt. Gestärkt gingen sie aus dem Chaos hervor und verbreiteten die Botschaft, die sie gehört hatten, in aller Welt.
Geschenkt haben sie der Menschheit alles, was sie hatten, ihre Tränen, ihre Gesundheit, ihre Zeit. Sie haben Unbekannte geliebt und sich für sie aufgeopfert. Auf der Botschaft dieser jungen Männer, die keinerlei klassische Bildung besaßen, wurden zuerst die
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