Der Traumhändler
hörte mir gespannt zu und wiegte den Kopf hin und her. Da alles
so unwirklich war, kam ich mir beim Versuch, zu erklären, was ich selbst nicht verstehen konnte, wie ein Trottel vor. Mein bejammernswerter Zuhörer war aber ebenso gut gelaunt wie der Meister. Um mich aus der Klemme zu holen, sagte er: »Du kennst seinen Namen nicht und weißt nicht, wer er ist? Hmmm. Alter, so was Verrücktes versteht man nur, wenn man ein paar Schnäpse intus hat!« Aber gerade, als ich dachte, er würde nun die nächste Kneipe ansteuern, anstatt dem Meister weiter zu folgen, ergänzte er: »Ich wollte mich schon immer jemandem anschließen, der noch übergeschnappter ist als ich!«
So begann ich meine Wanderschaft an der Seite zweier Käuze. Meine soziologische Feldforschung weitete sich aus. Ich hoffte nur, dabei keinem Bekannten über den Weg zu laufen. Besser, meine Kollegen und Studenten glaubten, ich sei gestorben oder ausgewandert. Bartholomäus pfiff sorglos vor sich hin, und der Meister lief freudestrahlend neben uns her. Plötzlich begann er, ein selbst komponiertes, wunderschönes Lied zu singen, dessen Text sein Lebensmotto spiegelte. Dieses Lied wurde nach und nach unser Leitmotiv.
Ein einfacher Wandersmann bin ich,
Der keine Angst mehr hat, sich zu verlaufen.
Meine Unzulänglichkeiten kenne ich.
Nennt mich ruhig verrückt
Und macht euch über mich lustig!
Was soll’s!
Ein Traumhändler bin ich,
Und das ist es, was zählt!
Ich habe weder Kompass noch Agenda,
Ich habe nichts, doch habe alles.
Ein einfacher Wandersmann bin ich,
Auf der Suche nach mir selbst.
Auf unserem Rückweg nach Hause, genauer gesagt unter unserer Brücke, trafen wir auf eine weitere äußerst sonderbare Gestalt namens Dimas de Melo, Spitzname »Engelshand«. Eigentlich hätte er besser »Teufelskralle« heißen müssen, denn er war ein Spitzbube, achtundzwanzig Jahre alt, blondes Haar und Pony, lange, platte Nase und orientalische Gesichtszüge.
Engelshand war in einem Kaufhaus beim Diebstahl eines DVD-Players geschnappt worden. Er hatte bereits unzählige andere, viel wertvollere Dinge geklaut, ohne jemals erwischt zu werden. Aber diesmal hatte eine Überwachungskamera ihn auf frischer Tat ertappt. Als er das Gerät in seinem großen Beutel versenkte, hatte sich der Schlauberger eingebildet, alle Überwachungskameras gemieden zu haben, ohne zu wissen, dass es noch eine versteckte Kamera gab. So wurde er festgenommen.
Auf der Wache bat er um den Beistand eines Anwalts. Noch vor der Vernehmung nahm er den herbeigeeilten Anwalt beiseite und sagte ihm, dass er kein Geld hätte, um die Kaution zu bezahlen. Der Anwalt bestätigte ihm, dass er ohne Kaution ins Gefängnis käme. Darauf erwiderte der Gauner, der, wenn er nervös wurde, stotterte: »W… w… warten Sie mal, ich … ich komm da raus o… o… ohne was z… zu zahlen. P… p … passen Sie auf!« Der Anwalt verstand zwar nicht, was er vorhatte, betrat mit ihm jedoch das Büro des herrischen, schon ungeduldig wartenden Polizeichefs.
Dieser fragte den Beschuldigten nach seinem Namen, worauf Dimas dumm aus der Wäsche guckte, den Finger auf die Lippen legte, »Pscht!« machte und sich dann gegen die Stirn schlug. Irritiert wiederholte der Polizeichef die Frage, und Dimas wiederholte seine Geste.
»Wenn du dich weiter über mich lustig machst, sorge ich dafür, dass du wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt eingelocht wirst!«
Als sei es das Natürlichste auf der Welt, wiederholte Engelshand sein Ritual ein weiteres Mal, legte also wieder den Finger auf die Lippen, machte »Pscht!« und schlug sich gegen die Stirn. Er wollte den Eindruck erwecken, ein Geisteskranker zu sein, der weder wusste, wo er war, noch, was gerade vor sich ging, und der sich an den begangenen Diebstahl nicht erinnern konnte.
Nach dem zehnten erfolglosen Versuch, irgendeine Auskunft zur Identität seines Gegenübers zu erhalten, bekam der Polizeichef einen Tobsuchtsanfall. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und stieß wilde Drohungen gegen Dimas aus, was jedoch auch keinen Effekt zeitigte. Der Typ war ein äußerst begabter Schauspieler. Sein Anwalt genoss derweil die Schläue seines Mandanten.
»Wahnsinn! Der hat se doch nich mehr alle!« brüllte der Polizeichef.
Da ergriff der Anwalt das Wort und sagte: »Sir, ich habe Ihnen bisher nicht gesagt, dass mein Mandant geistig gestört ist, weil Sie mir das nicht geglaubt hätten. Aber Sie sehen ja, dass er nicht weiß, was er tut.«
Weil er nicht noch mehr
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