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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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Geld hatte, war Bartholomäus in psychotherapeutischer Behandlung gewesen, ohne dass dies etwas genützt hätte. Eher war dadurch alles noch schlimmer geworden. Er hatte mehrere Therapeuten derart gefordert, dass diese sich selbst in Behandlung begeben mussten, nachdem sie mit ihm zu arbeiten begonnen hatten. Er war einfach unverbesserlich, wenn auch gewieft. So hatte er bereits auf unserer ersten Wanderung durch die Straßen bis zum Nachtlager unter der Brücke meine Egozentrik, meinen krankhaften Stolz bemerkt und mich daher »Super-Ego« genannt, wobei er unwissentlich Freuds Begriff vom Über-Ich falsch anwendete.
    Als er nun sah, wie der Meister einen Gauner aufforderte, ihm zu folgen, zog er mich beiseite und flüsterte mir ins Ohr: »Hey, Super-Ego, dich zu ertragen ist schon schwierig, aber mit diesem Spitzbuben kann ich gar nicht!«
    »Schau dich doch mal selbst an!«, erwiderte ich beleidigt. Fast hätte ich ihn noch beschimpft, fragte mich dann aber, ob er vielleicht recht haben könnte. Das neue Familienmitglied konnte gefährlich sein. In meinen schlimmsten Träumen hatte ich mir nicht vorgestellt, eines Tages mit einem gewöhnlichen Kriminellen durch die Gegend zu laufen …
    Also griff ich Bartholomäus’ Formulierung auf und persiflierte sie, indem ich ihm zuflüsterte: »Einen durchgedrehten Säufer wie dich zu ertragen ist schon schwierig genug, aber dieser Gauner ist einfach unerträglich. Ich hau ab!«
    Zum zweiten Mal erwog ich, das soziologische Experiment aufzugeben. Aber plötzlich lief vor meinem inneren Auge ein Film ab. Ich erinnerte mich daran, dass ich verloren gewesen und gerettet worden war. Da schaute ich in das ruhige Gesicht des Meisters und beschloss, noch ein wenig länger durchzuhalten. Die Neugier, zu sehen, wie das Experiment weitergehen würde, gab mir wieder Mut. Es würde später bestimmt zum Thema vieler Abschlussarbeiten taugen.
    Der neue Schüler hatte eine sanfte Stimme, war aber darauf spezialisiert, andere hereinzulegen und zu übervorteilen. Er wusste, wie man Leute übers Ohr haute und gefälschte Lottoscheine verkaufte. Den Frauen, die sich mit ihm einließen, stahl er die Kreditkarte und alten Damen, denen er zuvor freundlich über die Straße geholfen hatte, die Geldbörse. Das Problem war nur, dass er sich, wie alle Schlaumeier, für schlauer hielt, als er war. Er glaubte also, nie in die Falle zu gehen. Nun aber war er jemandem begegnet, der schlauer war als er. Der Ganove wusste noch nicht, dass er, wenn er dem Meister folgte, in den größten Hinterhalt seines Lebens geraten würde.
    Nach einer Weile kamen wir an einen Platz und setzten uns, um auszuruhen. Gemäß dem Vorschlag des Meisters sollten Bartholomäus und ich Dimas unser Projekt erklären. Eine schwierige Aufgabe! Der Typ schien kaum Schulbildung zu haben. Aber es war eine Chance, um ihn aus der Gruppe auszuschließen. Also begann Bartholomäus, alles maßlos zu übertreiben: »Pass auf, Kleiner, der Chef ist ein Genie. Ich glaube, er ist aus einer anderen Welt. Er hypnotisiert alle. Er hat uns zu sich gerufen, damit wir die ganze Menschheit mit Träumen anstecken.«
    Wenn er betrunken war, halluzinierte Bartholomäus Ungeheuer, und jetzt, da er nüchtern war, litt er unter Größenwahn. Aber unglücklicherweise gefiel Dimas, was er da hörte. Er und Bartholomäus sprachen dieselbe Sprache. Sie waren beide Outsider und sie verstanden sich. Mir wurde bewusst, dass auch ich nun ein Outsider war, aber ich war allein. Am Ende war ich schlechter dran als diese beiden Taugenichtse.
    Da wir von den Ereignissen genauso verwirrt waren wie er, waren wir natürlich nicht in der Lage, Dimas zufriedenstellende Erklärungen zu liefern. Aber jemand, der sich in der Wüste verirrt hat, läuft voller Hoffnung der Fata Morgana einer Oase hinterher. So musste ich meinen Wunsch begraben, ihn wieder abzuschütteln. Das war die Geburtsstunde unseres Trupps schräger Vögel.

Die mutigen kleinen Schwalben
    K urz darauf stießen wir auf einen Zeitungskiosk und stellten fest, dass unser Konterfei auf dem Titelblatt einer großen Tageszeitung prangte. Die Schlagzeile lautete: Ein Trupp schräger Vögel versetzt die Innenstadt in Aufruhr . In der Bildmitte war der Meister zu sehen, und Bartholomäus und ich standen neben ihm. Bestürzt kaufte ich die Zeitung mit den wenigen Münzen, die ich noch in der Tasche hatte.
    Trotz der Gewissheit, dass mein Selbstmordversuch ziemlich Aufsehen erregt hatte, war ich guter Hoffnung

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