Der Traumhändler
unterhalten oder ihm eine Freude bereitet.
»Dimas, Vorurteile machen älter als Lebensjahre. Du bist älter als viele dieser Heimbewohner!«, bemerkte der Traumhändler.
»Wenn ich es auf meine Weise machen darf, hab ich das Problem in zwei Minuten im Griff!«, prahlte Bartholomäus, als hätte er eine magische Lösung parat. »Genug Schnaps für alle und die Bude brennt!«
Er hatte die Beherrschung verloren und entschuldigte sich für seinen Rückfall. Aber auch Edson, der selbsternannte Wundertäter, wusste nicht, wie er das Wunder der Freude vollbringen sollte, und Salomon und ich fühlten uns genauso hilflos.
Der Meister hatte sich inzwischen unbemerkt zurückgezogen, sodass wir auf uns allein gestellt waren. Wir beratschlagten, und jeder steuerte seine Vorschläge bei. Dann machten wir einen Plan, trennten uns, um Kostüme und Requisiten zu besorgen und fanden uns zwei Stunden später wieder vor dem Altersheim ein.
Honigschnauze kreuzte mit einer langen Perücke und einer Sonnenbrille auf. Er kaute Kaugummi und rief aufgekratzt: »Leute! Lasst uns so tun, als wären wir normal.« Wir brachen in Gelächter aus.
Dann gingen wir auf das Altersheim zu. Bevor ich etwas sagen konnte, kam Bartholomäus mir wieder zuvor und schärfte uns noch einmal die Story ein, die wir uns als Vorwand ausgedacht hatten: »Also, die Sache ist so: Wir sind eine Profiband und wollen für die Alten aufspielen. Gratis! Wir wollen keine Gage, aber Spenden sind natürlich immer willkommen.«
Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. Von Spenden war nicht die Rede gewesen. Dimas trug einen roten Hut und hatte ebenfalls eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Ich hatte mir eine Perücke mit langen Zöpfen verpasst, Salomon hatte sich künstliche Koteletten angeklebt und imitierte Elvis Presley, und Edson trug ein rotes Band um den Kopf und ein langes T-Shirt. Es war ein Kampf gewesen, an die Sachen zu kommen, aber mit dem Argument, wir würden sie für eine Wohltätigkeitsveranstaltung benötigen und anschließend wieder zurückgeben, konnten wir sie schließlich ausleihen.
Die Heimleitung war von unserem Outfit etwas schockiert, doch da sich jüngere Leute eher selten für alte Leute interessieren, war sie doch neugierig auf das, was wir vorhatten. Ich fragte mich: »Was tue ich hier eigentlich? Das geht doch in die Hose!« Eine Bühne wurde improvisiert, und schließlich setzten sich über Hundert alte Damen und Herren brav ins Publikum, um der »Band« zu lauschen.
Wir hatten zwei geflickte Gitarren mitgebracht. Die eine trug der Wunderheiler, der behauptete, er habe in der Musikgruppe seiner Kirchengemeinde spielen gelernt. Aber die Gitarre war verstimmt. Salomon trug die andere, doch auch er konnte kaum Gitarre spielen. Ich hielt ein Saxophon in der Hand und versuchte, mich an einige der wenigen einfachen Melodien zu erinnern, die mein Großvater mir beigebracht hatte. Dimas hatte tatsächlich einen Kontrabass und wusste nicht, was er damit anstellen sollte. Und Honigschnauze war – natürlich! – der Sänger. Er hatte uns versichert, dass er die Töne träfe und früher in Nachtlokalen gesungen hätte, als er noch nicht so viel trank.
Schüchtern und zaghaft spielten wir das erste Lied, einen romantischen Rocksong. Die Stimme von Honigschnauze war ein Desaster. Er hätte besser den Mund halten sollen, denn es gelang ihm nicht, mit den Instrumenten mitzuhalten, obwohl er selbst glaubte, Begeisterungsstürme loszutreten. Die Alten blieben regungslos, sodass wir dachten, wir müssten noch mehr Leben in die Bude bringen. Also unterbrachen wir den ersten Song und stimmten einen schnellen Rocksong an. Der ging wirklich ab! Wir waren voll in Fahrt, schwangen die Hüften und sprangen auf der Bühne herum, aber von den Alten kam keine Reaktion. Dann trällerte Honigschnauze bizarre Koloraturen, doch das Publikum gab immer noch keinen einzigen Lacher von sich.
Ich dachte nur: »Wir sind geliefert. Statt sie aufzumuntern, verschlimmern wir ihre Depressionen!« Da legte sich Bartholomäus noch mehr ins Zeug und stimmte seine persönliche Hymne an, einen Samba. Wir versuchten, irgendwie im Takt zu bleiben.
» Ich trinke, ja, und ich lebe! Andre Leute trinken nicht und sterben! Ich trinke, ja …« – und er wiederholte den Refrain, schaute die Alten an und fand, dass sie wohl nur mit Alkohol aufgemuntert werden konnten.
Aber niemand lächelte. Niemand bewegte sich. Niemand klatschte. Niemand sang mit. Am ersten Tag, da wir
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