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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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vollbringen oder sich für den Messias halten, aber seit Jesus von Nazareth hätte es keinen derart dreisten Irren gegeben, der versuchte, in dessen Fußstapfen zu treten.
    Von den provokanten Ideen des Meisters fehlte jede Spur. Es war nicht die Rede von der entscheidenden Bedeutung des Selbstgesprächs, nicht von der Verurteilung der Computer, die ewig ohne Bewusstsein bleiben, nicht von den Exzessen der Gesellschaft, die zum frühen Tod unseres Seelenlebens führen. Stattdessen endete der Artikel mit der Behauptung, die Getreuen des Meisters seien eine Anarchistenbande, sie bedrohten die Demokratie und könnten durchaus sogar Terroranschläge verüben.
    Das diffamierende Machwerk verleugnete unsere Geschichte und ließ an unserem Projekt kein einziges gutes Haar. Völlig entmutigt ließen wir die Köpfe hängen und fragten uns, wie es weitergehen sollte. War es am Ende nicht doch ratsam, die gesellschaftlichen Normen zu befolgen? Gerade als unsere Motivation bis auf den Nullpunkt gesunken war, betrat der Meister wieder die Bühne, um uns zu beruhigen. Er schien schon so viel durchlitten zu haben, dass ihn der Zeitungsartikel überhaupt nicht aus der Fassung bringen konnte.
    »Denkt an die Schwalben! Unsere Berufung besteht nicht darin, ein wandelnder Mythos zu sein! Und vergesst nie, dass man nicht zwei Herren gleichzeitig dienen kann! Entweder handeln wir mit Träumen oder wir sorgen uns um unser Ansehen in der Gesellschaft; entweder bleiben wir unserem Gewissen treu oder wir kreisen um das, was die anderen von uns halten und über uns sagen.«
    Und zum wiederholten Male bot er uns an, unsere eigenen Wege zu gehen.»Macht euch keine Sorgen um mich. Ihr habt mir und anderen schon viel Freude bereitet. Ich habe gelernt, euch so zu lieben und zu bewundern, wie ihr seid. Ich will euer Leben nicht aufs Spiel setzen. Es ist besser, wenn ihr geht.«
    Aber wohin sollten wir gehen? Wir konnten keine »Normalsterblichen« mehr sein, Diener des Systems, zermürbt von der trostlosen gesellschaftlichen Routine, dazu verdammt, über das Leben zu klagen und auf den Tod zu warten. Wir waren zu einer skurrilen Familie zusammengewachsen. Der Egoismus der Vergangenheit war zwar noch lebendig, gab aber nach und nach den Weg frei für das Vergnügen, den anderen zu dienen. Also entschieden wir uns, zu bleiben. Wenn sogar derjenige sich frei fühlte, der in der Zeitung am meisten diffamiert wurde, warum sollten wir uns dann selbst in Ketten legen?
    Im Verlaufe dieses Tages merkten wir, dass dem Schreiberling der Schuss nach hinten losgegangen war. Anstatt unserer Bewegung ein Ende zu bereiten, hatte er Benzin ins Feuer gegossen und bescherte dem Meister weiteren Zulauf. Die Leute waren die immer gleichen Negativschlagzeilen in Bezug auf Überfälle, Vergewaltigungen und Morde leid und von der kuriosen Neuigkeit einer Wanderbewegung verrückter Gestalten durch die Millionenstadt fasziniert. Der Traumhändler war zu einem gesellschaftlichen Phänomen, einer Berühmtheit geworden und wurde nun auch von sensationslüsternen Boulevardjournalisten verfolgt. Genau das hatte er immer am meisten gefürchtet.
    Er war von unserem plötzlichen Ruhm alles andere als begeistert und warnte uns mit den Worten: »Um vergöttert zu werden, reichen ein bisschen Charisma und Autorität, besonders in einer Gesellschaft wie der unseren, in der die Menschen immer mehr unter Druck geraten. Achtung! Die Gesellschaft gibt, sie nimmt aber auch wieder, vor allem unsere Menschlichkeit.«
    Ich verstand seine Warnung. Immerhin hatte ein so hoch gebildetes Volk wie das deutsche, aus dem zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts etliche Nobelpreisträger stammten, in der Wirtschaftskrise Hitler an die Macht gebracht. Krisenzeiten sind Zeiten der Veränderung, entweder zum Guten oder zum Schlechten.
    Dann wies uns der Meister auf die Gefahren der Macht hin: »Die meisten Menschen sind nicht darauf vorbereitet, Macht auszuüben. Die Macht weckt Ungeheuer, die sich gern unter dem Deckmantel der Bescheidenheit verbergen: das Ungeheuer des Despotismus, der Kontrolle, der Erpressung, der Erfolgssucht. Macht in den Händen eines Weisen verwandelt diesen in einen bescheidenen Lehrling, doch in den Händen eines Toren macht sie diesen zum Unterdrücker. Welche Ungeheuer werden aus dem Verließ eures Unterbewusstseins hervorkommen, wenn ihr eines Tages viel Macht habt?«
    Die Frage rüttelte mich auf. Als ich die Leitung der Fakultät übernahm, krochen wirklich einige Ungeheuer

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