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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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Kurzem nicht sagen konnte, wer ich bin.«
    »Und jetzt können Sie es?«, fragte der Journalist.
    Darauf schaffte es Honigschnauze, seine Gedanken völlig zu verknoten. »Jetzt? Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wer noch was ich bin, denn der, für den ich mich gehalten hab, ist nicht der, der ich bin. Ich bin gerade auf Entzug von dem, der ich war, um zu sein, der ich bin. Ich versteh noch nicht, wer ich bin, aber ich bin auf der Suche nach mir. Verstehen Sie?«
    »Nein!«, antwortete der Reporter verwirrt.
    »Uff! Gott sei Dank! Hab schon gedacht, ich wär der Einzige, der’s nicht kapiert! Sehen Sie, mein Freund: Ich weiß nur, dass ich früher jeden Tag betrunken umgekippt bin, und jetzt helf ich den Leuten aufzustehen.« Dann schaute er dem Reporter in die Augen und lud ihn herzlich ein, sich uns anzuschließen. Doch dieser wehrte nervös ab: »Ich? Ausgeschlossen! Ich bin doch nicht verrückt!«
    Darauf konterte Bartholomäus: »Pfff! Woher woll’n Sie das wissen? Fühlt sich echt gut an, verrückt zu sein!«
    Verächtlich zeigte er dem Journalisten nun die kalte Schulter, stimmte mit ausgebreiteten Armen einen seiner Lieblingssongs an und tanzte im Sambarhythmus davon, wobei er regelrecht außer sich geriet: »Ein Spi-hi-hinner bin ich und ein Spi-hi-hinner will ich sein!« Dazwischen brüllte er: »Ah! Wie ich dieses Leben liebe!«
    Der Journalist hatte seinen Artikel bereits vor dem Gespräch mit Bartholomäus entworfen und wollte einfach nur seine Behauptungen bestätigt wissen. Seine Scheuklappen führten dazu, dass auch er nur das sah, was er erwartet hatte.
    Bartholomäus dagegen war nach dem Interview derart euphorisch, dass er sich vergaß und beschloss, das Ereignis zu feiern. Er ging in eine Kneipe und ließ sich volllaufen. Es war sein dritter und schlimmster Rückfall seit Beginn unserer Wanderschaft. Diesmal schlug er völlig über die Stränge und landete schließlich in der Gosse.
    Als wir merkten, dass er fehlte, machten wir uns Sorgen. Der Meister schickte uns auf die Suche. Ungeduldig schimpften wir vor uns hin: »Nicht schon wieder! Bei dem sind doch Hopfen und Malz verloren!« Nach einer Stunde hatten wir ihn gefunden: Er lag bewusstlos neben dem Bürgersteig. Wir halfen ihm auf, aber er fand sein Gleichgewicht nicht wieder, sondern ließ sich hängen und wollte nicht laufen. Also griffen wir ihm von beiden Seiten unter die Arme, und Dimas schob ihn von hinten an.
    Bartholomäus lallte: »Langsam, Junge … ich hab empfindliche Stoßdämpfer!« Ab und zu ließ er lautstarke, stinkende Fürze los und machte sich noch über uns lustig: » Sorry , Leute! Der Auspuff ist kaputt!«
    Ich hatte nicht übel Lust, ihm eine runterzuhauen.
    Es war unfassbar: Ich hatte tatsächlich die akademische Gedankenwelt verlassen, um mir die abstrusen Gedanken dieses Besoffenen anzuhören! Bis vor Kurzem war mir selbstlose Nächstenliebe unbekannt gewesen; ich hatte für andere nur dann etwas getan, wenn ich etwas dafür erwarten konnte. Und jetzt kümmerte ich mich um jemanden, der mir nicht nur null Komma nichts zurückgab, sondern mich auch noch veräppelte! Auf den letzten dreißig Metern kurz vor der Brücke mussten wir ihn schließlich sogar tragen, denn er konnte wirklich nicht mehr gehen. Dabei überschüttete er uns lallend mit Liebeserklärungen: » I love you , Leute. I love you very, very, very much !«
    »Schnauze!« keuchten wir, während uns der Schweiß von der Stirn tropfte. Doch es nutzte nichts. Die Aufforderung, die Klappe zu halten, regte seinen Redeschwall noch weiter an. Vielleicht waren seine Liebeserklärungen ja wirklich ehrlich gemeint und sein Herz größer als unseres … Als wir endlich da waren, wollte er uns aus Dankbarkeit auch noch küssen. Vor Schreck ließen wir ihn fallen wie einen Sack Kartoffeln.
    » My friends! «, lallte er frech, »es ist ein Privileg, mich in den Armen zu halten!«
    Völlig genervt beschwerte ich mich beim Traumhändler: »Schick den Kerl bloß zu den Anonymen Alkoholikern!«
    Aber, dachte ich dann, ohne ihn wäre unsere Truppe wohl ziemlich fade …
    Dimas stotterte: »Schick ihn i… in … eine Klinik f… für psy… psy… für Verrückte halt!«
    Und der Wunderheiler fragte: »Meister, wie lange müssen wir ihn noch erdulden?«
    Eigentlich wollten wir seine Antwort gar nicht hören, denn wie erwartet schloss sich der Traumhändler den Worten Honigschnauzes an: »Es ist ein Privileg, ihn zu tragen.«
    Bartholomäus war zwar völlig betrunken, aber

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