Der Traumhändler
Unterstützung jeder Form von Integration;
Achtung vor den Unterschieden zwischen Menschen, die jeden zu einem einzigartigen Wesen machen;
Förderung des Austauschs zwischen den Völkern, Kulturen und Religionen.
Der Meister wusste sehr gut, dass seine Vorschläge den Prinzipien der Französischen Revolution entsprachen sowie der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen und der Verfassung vieler Staaten. Er wollte jedoch, dass sie, statt nur auf dem Papier zu stehen, im Herzen der Menschen ohne Grenzen lebendig würden.
»Was für ein schöner Traum!«, seufzte ich leise.
Der Meister bemerkte meine Zweifel und sagte: »Ja, es ist ein Traum, eine fantastische, romantische Utopie. Aber ohne Utopien sind wir nichts als lebendige Maschinen. Ohne Hoffnungen sind wir nur Sklaven. Ohne Träume sind wir ferngesteuerte Roboter. Wenn die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik bei ihren Entscheidungen die Menschheit und Menschlichkeit in den Mittelpunkt stellen würden, könnten zwei Drittel der Probleme auf der Welt in vier Wochen gelöst werden. Und das ist kein Traum und keine Utopie!«
Ich nickte. Eigentlich hatte er recht. Wie oft hatte ich mich an der Universität wie eine Lehrmaschine gefühlt, die vor Studenten stand, die Lernmaschinen waren.
Nun wirkte der Traumhändler noch konzentrierter; man sah, dass er noch etwas Wichtigeres zu sagen hatte. Es war wirklich ein besonderer Tag für ihn. Mit äußerst bedächtiger Stimme hob er an und erzählte uns das Gleichnis von der Schmetterlingspuppe:
»Zwei Raupen verpuppten sich und wuchsen im Schutz der Puppe zu wunderschönen Schmetterlingen heran. Als sie kurz davorstanden, zu schlüpfen und davonzufliegen, kamen ihnen Zweifel. Einer der Schmetterlinge fühlte sich viel zu schwach und dachte: ›Das Leben da draußen ist voller Gefahren. Ich könnte von einem Vogel gefressen oder vom Blitz getroffen werden! Ein Platzregen könnte meine Flügel zerstören, sodass ich zu Boden stürze! Außerdem ist der Frühling schon bald wieder vorbei. Wer hilft mir dann, wenn der Nektar zur Neige geht?‹ Der kleine Schmetterling hatte schon recht – es warteten tatsächlich viele Risiken auf ihn. Verängstigt beschloss er, nicht zu schlüpfen, sondern blieb in der schützenden Puppe. Da er sich darin aber nicht ernähren konnte, starb er einen traurigen Hungertod zwischen den engen Wänden, in die er sich eingesponnen hatte. Auch der andere Schmetterling fürchtete sich vor der Außenwelt, denn er wusste, dass viele seiner Artgenossen nicht einmal einen Tag außerhalb ihrer Puppe überleben. Doch seine Freiheitsliebe war größer. Er schlüpfte und flog allen Gefahren entgegen. Dieser Schmetterling zog es vor, auf der Suche nach sich selbst auf Wanderschaft zu gehen.«
Der Meister machte eine kurze Pause, um dem wunderschönen Gesang der Vögel zu lauschen, der mir wie ein Loblied vorkam. Dann richtete er eine Reihe einfacher, aber tiefer Wünsche an uns, die ich kaum so schnell mitschreiben konnte: »Ich sende euch nun zwei Tage aus, damit ihr erfahrt, was es heißt, ein menschliches Wesen ohne Grenzen zu sein. Geht zu zweit in die Gesellschaft und nehmt weder Tasche noch Geld noch Proviant mit – nichts, was euch helfen würde, zu überleben, außer dringend notwendiger Medikamente und persönlicher Hygieneartikel. Ernährt euch von dem, was man euch anbietet. Schlaft dort, wo man euch ein Lager bereitet. Lehnt niemanden ab, und wenn ihr angegriffen werdet, so leistet keinen Widerstand, sondern behandelt euren Angreifer mit Nachsicht. Agiert als Soziotherapeuten: Gebt und empfangt. Versucht nicht, euch über andere zu erheben. Haltet eure Überzeugungen zurück, setzt eure Ideen nicht durch, sondern verströmt stattdessen eure Menschlichkeit. Fragt jeden, den ihr auf eurem Wege trefft, worin ihr ihm nützlich sein könnt. Sprecht mit den Menschen, lernt ihre verborgenen Seiten kennen. Entdeckt, was für faszinierende menschliche Wesen eure Mitmenschen sind, und schaut mit ihren Augen auf die Welt. Achtet ihre Privatsphäre, kontrolliert sie nicht und geht nur so weit, wie sie es erlauben. Hört ihnen bescheiden zu – auch denen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen – und regt sie an, sich selbst zuzuhören. Wenn sie es schaffen, wird das viel besser sein, als euch zuzuhören. Denkt daran, dass das Reich der Weisheit den Bescheidenen gehört.«
Nach diesen Empfehlungen blickte er besorgt und warnte uns vor: »Wir leben im dritten Jahrtausend einer Gesellschaft,
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