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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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näher. Ich konnte sehen, dass sie sich über mich lustig machten – wahrscheinlich rieben sie sich die Hände, weil der diktatorische Dekan der soziologischen Fakultät, also ich, den Verstand verloren hatte. Jurema sagte zu mir: »Stell dich ihnen. Es ist Zeit, dass du aus der Puppe schlüpfst!«
    Das war nun der Preis, den ich dafür zahlen musste, ein solcher Tyrann gewesen zu sein! Einer der Dozenten, der meiner Ansicht nach geistig stehen geblieben und ein miserabler Pädagoge war, packte die Gelegenheit beim Schopf, um sich dafür zu rächen, dass ich ihn unter Druck gesetzt hatte: »Wie ist denn so das Leben als Spinner?«
    Beleidigt drehte ich mich auf dem Absatz um und wollte in die entgegengesetzte Richtung davongehen. Doch Jurema griff besänftigend nach meinem Arm, und so riss ich mich zusammen, wandte mich ihm wieder zu und antwortete: »Ich versuche gerade, mich mit meinem Wahnsinn auseinanderzusetzen. Ich habe mich immer hinter meinem Intellekt versteckt und mir dabei eingebildet, ich wäre kerngesund. Aber jetzt, auf der Wanderschaft und auf der Suche nach mir selbst, habe ich entdeckt, dass ich viel kränker bin, als ich dachte!«
    In den Gesichtern meiner Kollegen machte sich Verblüffung breit. Eine solche Geistesgegenwart hatten sie nicht erwartet und zudem hatten sie mich noch nie so demütig und reuig erlebt. Ich merkte, dass sie die Waffen streckten, und nutzte die Gunst des Augenblicks, um ihnen ein paar sokratische Fragen zu stellen, wobei mir klar war, dass ich nicht mit ihrem Verständnis rechnen konnte: »Wisst ihr eigentlich, wer ihr tief innen seid? Wie viel Freude habt ihr heute schon verspürt? Habt ihr Zeit gehabt, um euch zu entspannen? Habt ihr in eure persönlichen Projekte investiert oder habt ihr sie begraben? Habt ihr euch aufgeblasen und hinter eurer Brillanz verschanzt oder habt ihr versucht, Grenzen einzureißen und euren Schmerz mit anderen zu teilen? Seid ihr Lehrautomaten gewesen oder habt ihr Denker ausgebildet?«
    Langsam ging meinen Kontrahenten auf, dass ihr Institutsleiter, der sich hatte umbringen wollen und offensichtlich durchgedreht war, in einer besseren Verfassung war als zu der Zeit, als er mit ihnen an der Universität debattierte. Marco Antônio, Professor für angewandte Wissenschaftstheorie an der soziologischen Fakultät und der Gebildetste unter den dortigen Hochschullehrern, begann, mich zu loben, obwohl wir früher immer aneinandergeraten waren: »Julio, ich habe deine Schritte über die Presse und die Berichte meiner Studenten verfolgt. Ich bin ehrlich beeindruckt von deinem Mut, in deinem Leben einen Schnitt gemacht zu haben und dich neu zu orientieren. Jeder sollte früher oder später in seinem Aktivismus innehalten, um über sein Leben nachzudenken und wieder zu sich selbst zu finden.«
    Nun erläuterte ich ihnen das Projekt, mit Träumen zu handeln, und führte aus, dass es nicht einfach eines von vielen Selbsthilfeangeboten sei, auf die Verzweifelte zurückgriffen, um anschließend wieder besser zu funktionieren, sondern dass es uns darum ginge, die Grenzen der Selbstbezogenheit einzureißen, humanistische Denker auszubilden und zum wahren Menschsein zurückzufinden.
    Nachdenklich und anerkennend äußerte Professor Antônio, auch er sei zutiefst besorgt über den verbreiteten Konformismus, gekennzeichnet durch das größte Paradox der Konsumgesellschaft: die zunehmende psychische Isolation bei gleichzeitiger Vermassung.
    Auf meine Bitte erklärte er genauer, was er damit meinte: »Die Menschen leben auf Inseln dort, wo sie auf Kontinenten, und auf Kontinenten, wo sie auf Inseln leben sollten. Was ich meine, ist, dass sie ihre einsamen Inseln verlassen sollten, um Erfahrungen miteinander zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen, dass sie aber in puncto Geschmack, Lebensstil und kulturelle Interessen ihre eigene kleine Insel bewahren sollten. Doch Fernsehen, Fast Food und Modeindustrie haben unsere Geschmäcker und Stile vereinheitlicht. Wir haben die Individualität verloren und durch den Individualismus ersetzt.«
    Wie sehr seine Gedanken doch denen des Meisters ähnelten!
    Marco Antônio schloss mit der Bemerkung, dass es Zeit für Utopien und eine neue soziale Bewegung sei, und fragte dann, wie er sich an unserem soziologischen Experiment, jenseits trennender Grenzen wahrhaft menschlich zu sein, beteiligen könnte. Es beglückte mich, ihm darüber zu berichten.
    Fast alle Paare, die der Meister ausgesandt hatte, kamen begeistert

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