Der Traumkicker - Roman
besser. Lustig wie im Familiengrab.
Niemandem war nach Spielen zumute.
Bloß Gambetita versuchte eine lahme Damepartie mit dem Viehtreiber Adonis, dem einzigen Boxer der Siedlung, ein paar schauten zu, und wir anderen unterhielten uns und diskutierten in gedämpftem Ton einige Fragen, die auf der Versammlung nicht ganz klar geworden waren.
Plötzlich sackten Expedito González, der auf eine Stuhllehne gestützt das Damespiel verfolgte, die Knie weg, und er stürzte unter großem Getöse bewusstlos zu Boden. Ausgestreckt auf den mit Petroleum abgezogenen Dielen lag er da wie tot. Agapito Sánchez machte sich sofort auf die Suche nach dem Arzthelfer, wir anderen fächelten Expedito mit dem Damebrett Luft zu, und in den Reihen der Umstehenden wurde gemutmaßt, das sehe ganz nach einem Sonnenstich aus, Kumpel, und unsere nachmittägliche Wanderung zum Friedhof könne schuld daran sein.
Als der Trainer mit der Nachricht wiederkam, der Arzthelfer sei bei einer Notgeburt und unabkömmlich, fragten alle aufgeregt nach der Rothaarigen:
»Sie muss doch wissen, was er hat.«
Aber obwohl jemand behauptete, er habe sie zusammen mit California auf der Plaza Redonda gesehen, war sie nirgends zu finden. Und als schon die meisten der Meinung waren, es sei das Beste, unseren Traumkicker in ein Auto zu laden und schleunigst ins Krankenhaus von María Elena zu bringen, sprang Cachimoco Farfán, der bis dahin auf einer Bank gelegen und geschlafen hatte, auf die Füße und sagte, die papillomatösen Ausflüssevom großen eitrigen Einlauf sollten Platz machen, ob sie vergessen hätten, dass er Arzt sei.
Uns blieb die Spucke weg.
Cachimoco Farfán kniete sich neben den Traumkicker, zog wie ein professioneller Mediziner ernst seinen Staubmantel aus und schob ihn dem Mann als Kopfkissen unter. Dann prüfte er den Puls am Handgelenk und an der Halsschlagader. Alles überaus fachmännisch. Mit energischer Geste, die alle Fragen unterband, wies er gleich darauf vier Männer an, den Bewusstlosen hochzuheben und in ein Zimmer zu tragen. Er müsse ihn auf Herz und Nieren untersuchen. Und damit schloss er die Tür hinter sich und ließ niemanden mitkommen.
Wir standen da wie die Ölgötzen.
Als er nach einer Weile wieder herauskam, teilte er uns mit, »der Patient« sei wieder bei Bewusstsein und es gehe ihm gut.
»Er braucht Ruhe bis morgen«, verordnete er ernst.
Wir umringten Cachimoco respektvoll wie einen echten Mediziner und fragten besorgt, was um alles in der Welt dem Mann denn fehle.
Während er sich die Hände am Spülstein in der Küche wusch, wohin wir ihm ungeduldig gefolgt waren, sagte Cachimoco Farfán, ohne eine Miene zu verziehen:
»Ärztliche Schweigepflicht.«
Ein paar mussten davon abgehalten werden, ihm für seine Aufschneiderei an die Gurgel zu gehen, wir anderen drängten, der Herr Doktor solle bitt’ schön das neunmalkluge Getue lassen, wir seien schließlich alle nur besorgt um die Gesundheit des Mannes. Sich übersKinn streichend, sagte er da in skeptischem Ton, vorerst könne er nicht mehr sagen, als dass wir das Spiel am Sonntag »eiternderweise« verloren hätten.
Sonst war kein Wort aus ihm herauszukriegen.
Es ist schon fast Mittag in der Wüste, verehrte Damen und Herren, meine lieben Kranken! Schon fast zwölf Uhr an diesem Sonntag, dem 2. November, und die Hitze hier draußen ist infernalisch, die Geier fallen gegrillt vom Himmel, und die Fliegen brutzeln auf dem heißen Wellblech; ja, liebe Zuhörer an den Radios daheim, das Blau des Himmels schmerzt schon in den Augen, so hell strahlt es hier, und diese scheiß hämophile Wüstensonne sticht, wie nur die scheiß hämophile Wüstensonne zu stechen versteht, und hier bin ich, Cachimoco Farfán, und sende für Sie auf Kurz- und auf Langwelle, bringe Ihnen die Momente vor der Partie zwischen María Elena und Coya Sur zu Gehör, zwischen Staubfressern und Aasfressern, den berühmtesten Salpeterklassiker aller Zeiten, ein Spiel, das, sofern Gott nicht umdisponiert, um sechzehn Uhr am Nachmittag beginnen wird, also um die Zeit, wenn sich, wie jedermann weiß, hier draußen die staubigsten Winde erheben, und obwohl es nach der Uhr auf dem Minenladen noch genau vier Stunden und fünf Minuten dauert, bis der Schiedsrichter die Partie anpfeift, sehen wir aus der Siedlung bereits die ersten Zuschauer zum Platz strömen, vorneweg wie eh und je die Hunde, die ersten Kinder und die ersten fliegenden Händler, unter den Hunden erkennen wir beispielsweise den
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