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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Vogelaugen an, die weiter aufgerissen waren denn je. Er wirkte verzweifelt. Man hätte ihm übers Haar streichen wollen wie einem Schuljungen, den man beim Unfugmachen erwischt hat.
    Aber unsere Verzweiflung war größer als seine, und außerdem fühlten wir uns hintergangen. Sein Wortbruch traf uns tief.
    Und das sagten wir ihm auch gleich ins Gesicht.
    Dass kein richtiger Mann sich so verhalten würde, wie er sich verhalten hatte (und hier draußen war »kein richtiger Mann« eine schwere Beleidigung und mehr als Grund genug, einem unverzüglich die Fresse zu polieren). Wir es beim Arsch des Propheten nicht glauben konnten, dass er sich bei Nacht und Nebel hatte davonstehlen wollen, wo er uns doch noch gestern und am Grab von Lito Contreras sein Wort gegeben hatte, bis Sonntag zu bleiben. Dass das keine Art sei für einen Mann, der sein Gehänge habe, wo es hingehöre.
    »Sie sind den Popel in Ihrer Nase nicht wert, mein Freund«, schimpfte, tief getroffen, Don Agapito Sánchez, der nun doch aus dem Minenladen hatte verschwinden können und im Laufschritt hinter uns durch die Tür kam.
    Jetzt meldete sich Concha erstmals zu Wort und sagte mit einem Augenzwinkern zu uns, wir sollten uns keine Sorgen machen: Die beiden Festgenommen könnten nirgends hin, jedenfalls nicht vor nächster Woche. Wegen verschiedener Verdachtsmomente blieben sie vorerst in Haft.
    Was dann geschah, war unfassbar. Expedito González schaute uns lange an wie ein geprügelter Hund (der irre Glanz seiner Augen zerflossen in Feuchtigkeit), dann wollte er wissen, ob Cachimoco Farfán uns denn nichts gesagt habe. Als wir verneinten, seufzte er, rollte resigniert die Augen und sagte, es tue ihm aufrichtig leid, wirklich, meine Guten, er würde gern bis Sonntag bleiben, aber nützen würde uns das nichts.
    »Und wenn ich bis ans Ende meiner Tage hierbliebe«, sagte er düster, »ich könnte doch nie das Trikot der Lokalmannschaft tragen.«
    Wir dachten, er wolle damit sagen, ein Profi wie er könne nicht hingehen und für eine Gurkentruppe wie unsere spielen. Und wir sagten, da irre er sich, das könne er sehr wohl; das hier sei keine offizielle Partie in irgendeinem Verbandsturnier oder mit Spielermeldungen vorab, sondern bloß ein Freundschaftsspiel zwischen zwei Salpetersiedlungen, und folglich könnten sich die Drecksäcke aus María Elena auch nirgends beschweren.
    »Kapiert ihr denn nie was!«, platzte die Rothaarige heraus.
    Mit einem Blick in die Runde erklärte sie trotzig, was der Mann uns zu sagen versuche, sei, dass er niemals weder für uns noch für sonst eine Mannschaft spielen werde, hier nicht und nicht in Wolkenkuckuckshausen, weil er es einfach nicht könne.
    »Weil er in seinem ganzen gottverdammten Leben noch kein Spiel gemacht hat!« Sie schrie fast.
    Expedito González stellte seinen Teebecher auf die Bank, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte lautlos. Wir standen da, hielten Maulaffen feil und begriffen nichts. Niemand tat oder sagte etwas. Wir zermarterten uns bloß jeder für sich das Hirn, wieso ein augenscheinlich gesunder und stattlicher Mannskerl wie der hier nicht Fußball spielen konnte. Und das bei seiner Ballbeherrschung!
    »Der Ärmste ist vom Pech verfolgt!«, murmelte Celestino Rojas endlich in altvertrautem Betschwesternton. »Nicht von ungefähr ist am Tag, als er ankam, der Schatten eines Geiers über seinen Kopf gezogen.«
    Expedito González hatte ihn gehört und sagte, ja, der Gute habe recht, etwas in der Art sei mit ihm los.
    »Oder Schlimmeres.« Seine Stimme klang noch heiserer als sonst. »Ich bin vom Schicksal gezeichnet.«
    Dann, nachdem er sich mit einem krumpligen Taschentuch die Tränen getrocknet und sich lautstark geschnäuzt hatte, ließ er seinen Ball unter die Bank rollen, stand auf und zog sich dort an Ort und Stelle vor unser aller Augen von der Hüfte abwärts aus. Erst die lange Hose, danach die kurze Fußballhose, darunter eine Art Schützer, wie Boxer ihn tragen, und dann sahen wie es.
    Und was wir sahen, ließ uns das Blut gefrieren:
    Ein monströs gebrochener, violett verfärbter Hoden, sicher mehrere Kilo schwer und dem Bersten nah. »Ich schwöre bei Gott, mein Lieber«, hieß es später an den Kneipentischen, »das Ding war so groß wie ein dreier Fußball.«
    Als Concha das Paar eine Stunde später auf freien Fuß setzte (»Aber bis Sonntag gilt: hiergeblieben, damit das klar ist!«, bellte er die zwei noch an und warf uns dabei einen aufdringlich komplizenhaften Blick

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