Der Traumkicker - Roman
ihren Willen auf die Wache verfrachtet. »Ich kann euch problemlos wegen Landstreicherei festnehmen, wegen verdächtigen Verhaltens oder was mir sonst von hier bis zum Polizeiposten an schwachsinnigen Begründungen einfällt«, antwortete Concha übertrieben großkotzig, als der Traumkicker ihn nach dem Grund für die Festnahme fragte.
»Ich kann auch behaupten, ihr seid Terroristen, wenn’s mir passt!« Und dabei sah er ihnen scharf in die Augen.
An diesem wie an jedem Zahltag (egal, ob es Gutschriften oder Auszahlungen gab) konnte Don Agapito Sánchez seinen Arbeitsplatz im Minenladen nicht verlassen, und deshalb schickte er jemanden zu uns auf den Sportplatz, wo wir der Elf beim Morgentraining zusahen, damit wir zur Wache gingen und herausfanden, was zum Teufel mit dem Traumkicker los war.
Seine Arbeit im Minenladen verschaffte Don Agapito Sánchez (wie er selbst raunend erklärte) einen unschätzbaren Vorteil gegenüber den Trainern der anderen Mannschaften im Ort (neben der Siedlungself trainierte er natürlich auch die Laden-Mannschaft). Sein geradezu krankhafter Hang zu Hellseherei und Vorhersage verleitete ihn nämlich dazu, alle erdenklichen, größtenteils hanebüchenen Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen,wie seine Mannschaft sonntags zusammengestellt werden könnte und welcher Taktik sie folgen sollte.
Von seinem strategisch günstigen Standort bei den Lebensmitteln konnte sein seherisches Auge mühelos und nach Belieben das Alltagsleben der Siedlungsbewohner in allen Facetten anschauen, beobachten, einschätzen und bewerten. Beispielsweise, was die Ehefrau dieses oder jenes Schlüsselspielers einkaufte, gegen den seine Mannschaft am kommenden Sonntag auflaufen musste. Kaufte sie Fleisch oder eine gute Flasche Wein, stand daheim alles bestens, entsprechend würde der Spieler bei Laune sein und man musste einen Manndecker gegen ihn aufstellen. Oder die Frau eines anderen kam am Sonntagmorgen mit einem Tuch um den Kopf in den Laden, ein untrügliches Zeichen, dass ihr Mann die ganze Nacht tüchtig seinen Spaß mit ihr hatte, folglich geschwächt sein und auf dem Feld keine Schwierigkeiten bereiten würde. Durch einige Treffer in seiner Hellseherei beflügelt, hatte Don Agapito Sánchez sein System von Spielzeit zu Spielzeit perfektioniert und unzählige weitere Beobachtungen gesammelt und einbezogen, die das Resultat seiner Vorhersagen zu optimieren halfen: welche Frau schwanger war oder im Wochenbett, wie hoch die am Donnerstag erhaltene Gutschrift war, ob der Lohnstreifen beim Pfandleiher lag oder nicht oder der Mann in der Woche zu viele Überstunden gemacht hatte. Da er seine Prognosen nicht allein aus Elementen der eigenen Beobachtung formte, sondern überdies verarbeitete, was vom Getuschel und Getratsche in den Warteschlangen Vertrauliches an sein Ohr drang, konnte in seinem Spiel mit den vielen Variablen das Thema der ehelichen Untreue natürlich nicht unberücksichtigt bleiben. So war es beispielsweise von großem strategischen Nutzen, zu wissen, welche Frau welchen Spielers mit welchem Hallodri in die Kiste sprang. Oder zufällig aufzuschnappen, welcher alleinstehende Spieler häufiger in verdächtiger Nähe zur Behausung vom schwulen Delfín gesichtet wurde. Vorkommnisse von vitalem Interesse nicht allein, um die Fitness und den Gemütszustand des jeweiligen Spielers vorherzusagen, sondern auch um zu wissen, was man während des Spiels zu ihm sagen musste, damit er in Wallung geriet, aus der Haut fuhr und vom Platz gestellt wurde. Don Agapito Sánchez war derart überzeugt von seinem selbstgezimmerten Vorhersagesystem, dass er oft gewichtig seufzte wie ein Großmeister der Taktik: »Ach, könnte ich vor einem Spiel gegen María Elena nur eine Woche dort im Minenladen arbeiten, die Staubfresser hätten nichts mehr zu melden!«
Als Cara de Muerto zum Sportplatz gelaufen kam und seine Neuigkeit ausspie, die ihm schon die stotternden Lippen versengte, fiel uns das Kinn runter.
Wir konnten das nicht glauben.
Sofort ließen wir das Training Training sein und machten uns auf zur Wache, die am Ortsausgang am Fußweg nach María Elena lag. Dort fanden wir das Paar mit hängenden Köpfen auf einer Bank im Warteraum. Beide hatten einen Becher Tee in der Hand, den Concha ihnen selbst gekocht hatte.
Während die Rothaarige keine Miene verzog, sahuns Expedito González, der mit beiden Händen seinen Becher umfasste und die Füße auf seinen Ball gestellt hatte, einen nach dem anderen aus seinen
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