Der Traumkicker - Roman
mit schwerer Zunge, habe er nie mehr ein Buch oder eine Zeitschrift gelesen, die nicht von Fußball handelten.
Tief gerührt von seiner Geschichte, waren wir am Ende sentimental wie die Karmeliterinnen und bereit,den Mann seiner Wege gehen zu lassen. Alles vergeben und vergessen, mein Bester. Wir würden Freunde bleiben.
Was soll man auch machen, mein lieber Expedito. So ist das Leben.
Als Juan Charrasqueado ihm schon Lieder sang, die von Abschied und Lebewohl sprachen, und die verrückte Maluenda ihm in die Wange kniff und bat, der süße Balljunge solle uns nicht vergessen, sondern mal eine Ansichtskarte und Grüße schicken, da sprang bei Don Silvestre Pareto plötzlich der Generator an, und er kam mit dieser großartigen Idee, die den Lauf unserer Geschichte gründlich ändern sollte. Eine Idee, die uns, weil sie von ihm stammte, erst erstaunte, die dann aber gefeiert wurde, wie sie es verdiente: mit lautem Prost und großem Hallo und ex und hopp, mein Lieber. Zum Wohl! Und wir beendeten den Abend betrunken und fröhlich mit einem Hoch auf die ewige Freundschaft und sangen aus vollem Hals mit, als Juan Carrasqueado sein Lieblingslied anstimmte, Siete Leguas , die revolutionäre Hymne auf Pancho Villas Pferd.
Unser Platzwart Don Silvestre Pareto war im allgemeinen ein wortkarger Mann; erst nach einigen Gläsern löste sich ihm die Zunge. Doch selbst dann sagte er allenfalls, was jeder längst von ihm kannte: »Geduld und Spucke, Jungs, in der Ruhe liegt die Kraft«, und wie oft er den Satz von seinem seligen Vater gehört habe. Und außer der Pflege der beiden Plätze in der Siedlung habe ihm das Herrichten des Spielfelds am Sonntag immer am besten gefallen, deshalb stehe sein letzter Wille auchschon fest: Er wollte dort begraben werden, auf seinem »Äckerchen«, wie er den Sportplatz von jeher nannte.
Außerdem wusste jeder (obwohl das eigentlich hätte geheim sein sollen), dass Don Silvestre im Auftrag der Abteilung für Soziales Hunde vergiftete.
Von Zeit zu Zeit, wenn die Zahl der Streuner in der Siedlung in den Augen der Chefetage überhandnahm, zog er im Schutz der Dunkelheit mit seinen Strychninhackbällchen los. Und am nächsten Morgen nahm er den Handkarren und kümmerte sich persönlich darum, die geblähten Kadaver aufzusammeln, von denen die Straßen übersät waren.
In den Schlangen im Minenladen hieß es allerdings, der alte Silvestre sei alles andere als das beflissene und hilfsbereite Männlein (und der Hohlkopf), für das man ihn allgemein hielt, er sei vielmehr grausam und despotisch, eine Art Monstrum, und prügele seine arme Ehefrau häufig und hart, eine kleine und zahnlose Person, die sich unter den Schlägen nur duckte wie ein Hündchen und sich leise winselnd in einen Winkel der Wohnung verkroch. Eben wegen der hündischen Duldsamkeit, die seine Frau an den Tag legte, schnüffelte er, wenn es zum Mittagessen Hackbällchen gab, misstrauisch daran und saß dann da und starrte in tiefer Niedergeschlagenheit auf seinen Teller.
Don Silvestre Paretos Idee war so einfach, dass sie an Genialität grenzte. Expedito González sollte ein Trikot unserer Mannschaft anziehen und mit dem Rest der Elf auf der Calle Balmaceda trainieren, wenn die Busse nach María Elena vorbeifuhren. Die Staubfresserfahrgästewürden Bauklötze staunen und zu Hause, auf der Arbeit, in ihren Kneipen und Tavernen erzählen, was für einen Wunderspieler man in Coya Sur hatte.
»Das nenne ich einen psychologischen Spielzug!«, begeisterte sich Agapito Sánchez.
Der Traumkicker hatte nichts einzuwenden. Mittlerweile hätte er (umwölkt vom Alkohol und eingefriedet vom gewaltigen Vorbau der verrückten Maluenda) sowieso zu allem ja und amen gesagt.
»Und als i-Tüpfelchen«, ereiferte sich Pata Pata, »rufen wir den Grindkopf Cachimoco Farfán dazu, damit er etwas Farbe ins Spiel bringt und Ihre Kunststücke gebührend anpreist.«
Keiner von uns wusste so genau, wie oder wann Cachimoco Farfán mit seiner zerbeulten Milchbüchse und der schrillen Stimme eines zungenfertigen Papageis in Coya Sur aufgetaucht war. Auch nicht, ob Farfán sein richtiger Name war oder eine lautmalerische Anspielung auf seine Sprachfanfaren. Einige behaupteten, der Spinner sei geradewegs der Nervenheilanstalt von Santiago entsprungen, dagegen wollten andere wissen, dass er aus Antofagasta stammte, an der Universität von Chile Medizin studiert hatte und zu einer altehrwürdigen und wohlhabenden Familie gehörte. Und dass er wegen der
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