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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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wie unser Torwart zur Begrüßung, über das ganze Gesicht grinsend, in bester Boxermanier beide Arme hochriss. Wir trauten unseren Augen nicht.
    Kein Gips.
    Weil nämlich die verrückte Maluenda zusammen mit einigen kühnen und entschlossenen Frauen vom Fanblock (mit Nené, Chakú, Yoko, Teodofia, Dina, Pochocha, Rosa Mundaca und anderen) in einer geheimen Kommandosache vom Typ nordamerikanischer Actionfilm morgens nach María Elena gefahren war, um ihn aus dem Gemeinschaftssaal des streng überwachten Krankenhauses zu befreien. Zur Besuchszeit gingen sie hinein, zogen dem Patienten Frauenkleider an, nahmen ihn in die Mitte und führten ihn nach draußen. Weil Allerheiligen war und alle Welt zum Friedhof unterwegs, konnten sie ihn ohne Aufsehen in einen der vollbesetzten Zugwaggons schmuggeln. Und noch dort, am Ende des Waggons hinter Blumen und Kränzen verborgen, schnitten sie ihm mit ihren mitgebrachten Schneiderscheren den Gips auf.
    Und da war er, unser großer Torwart, kam freudestrahlend über die Straße, heulte, hüpfte, schnitt Grimassen wie ein Affe und grüßte jeden, der seinen Weg kreuzte, als kandidiere er fürs Bürgermeisteramt. Ehe er jemandem die Hand gab, spuckte er immer zwanghaft hinein und rieb die Handflächen kräftig gegeneinander,was er auch in seinem Kasten vor jeder Parade tat, sobald ein Schuss auf sein Tor kam oder die gegnerische Mannschaft einen Angriff einleitete.
    Dieses In-die-Hände-Spucken war ein Tick, den er in keiner Lebenslage bleibenlassen konnte: Er spuckte hinein, ehe er zur Schaufel griff, sich zum Essen an den Tisch setzte, das angebotene Glas Wein nahm, den Arm um eine Frau legte, um einen Bolero mit ihr zu tanzen   …   Seine Freunde und Kollegen lästerten, er spucke sicher auch vor dem Händewaschen hinein. In der Warteschlange im Minenladen hatte die verrückte Maluenda schon, geschwätzig wie sie war, verlauten lassen, dass er auch nachts hineinspuckte, ehe er sich über sie hermachte.
    Um auszunutzen, dass so viele Leute aus María Elena auf ihrem Weg zum Friedhof dort vorbeikamen, rief Don Agapito Sánchez gegen Abend zum letzten Pseudo-Training in der Calle Balmaceda. »Für das Spiel morgen ist jedes Mittel recht«, sagte er, als einige Spieler sich beschwerten, dass ihm der Feiertag offenbar nichts bedeute. Schließlich musste der Ballzauber von Expedito González gebührend in Szene gesetzt werden. Je mehr Staubfresser ihn sahen, desto besser für uns.
    »Mehr Geschichten vom bösen Mann, dann geht uns die Muffe entsprechend«, sagte er versonnen.
    Also traf sich die Mannschaft zu ihrem letzten angeblichen Training auf der Hauptstraße. In Wahrheit wurde morgens auf dem Platz trainiert, wenn die Hitze noch erträglich war und kein Wind ging. Auch weil der Platzabends unmöglich zu bespielen war wegen der Horde von Arbeitern, die ihn stürmten und für kein Geld der Welt auf ihre sakrosankte Bolzerei verzichtet hätten.
    Die Busse aus Antofagasta wurden jeden Moment erwartet, die Mannschaft war mit Dehnungen und kurzen Sprints beschäftigt (heute sichtlich aufgemuntert durch Tarzán Tirado, der immer für gute Stimmung sorgte), und Expedito González wirbelte an einer Seite eher lustlos mit seinem weißen Ball herum, als plötzlich aller Augen zur Ecke vom Friseurladen wanderten. Dort war gerade sehr beschwingt und Hand in Hand mit California die Rothaarige aufgetaucht. Die beiden Schätzchen sahen aus wie frisch gebadet und hielten aufs Kino zu.
    »Die haben vierundzwanzig Stunden am Stück das Würstchen versteckt«, zischte Plinio Gatica leise.
    Völlig mit seinem Ball beschäftigt, hatte Expedito González nichts mitbekommen. Aber jemand stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und nickte in die Richtung der beiden. Eben gingen sie an der Ladentür vom Indio Moisés vorbei.
    Mit dem Ball in der Hand sah Expedito dem Paar ohne einen Wimpernschlag nach, als wäre er jäh in Trance gefallen. Seine Finger krallten sich um das Leder, und sein irrer Blick folgte den beiden, bis sie die nächste Ecke und den Eingang des Kinos erreichten.
    Aus den Lautsprechern schallten bereits die ersten Töne von Ein bisschen sterben auf die Straße und kündigten den Beginn der Vorstellung an.
    An dem Abend lief ein mexikanischer Film.
    Nach den Karten kauften die beiden Turteltäubchennoch etwas Süßes (»Liebesperlen«, raunte jemand gehässig), dann verschwanden sie Hand in Hand nach drinnen.
    Da knurrte der Traumkicker etwas durch die Zähne, warf den Ball hoch, nahm ihn

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