Der Traurige Polizist
seufzte
und seine Schultern sackten herunter. Petersen bemerkte es und begriff irgend etwas.
»Es tut mir leid, Captain.«
»Rufen Sie einen Krankenwagen! Sofort!« Der Anwalt befahl und flehte gleichermaßen.
»Nicht nötig«, sagte eine Stimme vom Boden.
Alle drei starrten Nienaber an, der sich langsam aufrichtete.
»Wir werden sie verklagen, Oliver«, sagte der Anwalt. »Wir nehmen ihnen alles. Der …« Er zeigte mit dem Finger auf Leon Petersen.
»Der Kerl findet nie wieder einen Job in diesem Land.«
»Nein«, sagte Nienaber.
Stille.
»Vergessen wir’s«, sagte Nienaber. »Vergessen wir einfach die ganze Sache.« Er erhob sich mühsam, mit der rechten Hand berührte
er seine Wange. Der Anwalt eilte ihm sofort zu Hilfe, er zog Nienaber hoch und half ihm, den Stuhl aufzustellen, er half ihm,
sich hinzusetzen.
»Sie haben keine Chance, Oliver. Das war Brutalität in ihrer schlimmsten Form. Unter der neuen Regierung … Sie werden beide
arbeitslos.«
»Ich will die ganze Sache einfach vergessen, Phil.«
»Psst, Oliver.«
Nienaber schaute Joubert an. »Sind Sie bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen?«
Joubert sagte nichts. Sein Hirn stand immer noch still, und er hielt immer noch den Atem an. Er starrte Nienaber bloß an.
Petersen schaute zur Wand.
|278| »Laß uns gehen, Phil«, sagte Nienaber und ging zur Tür. Der Anwalt griff nach seinem Attaché-Koffer, seinem Notizblock und
seinem Stift und eilte ihm auf seinen kurzen Beinchen hinterher. Nienaber öffnete die Tür und ging hinaus. Der Anwalt folgte
ihm und knallte die Tür hinter sich zu.
Petersen hob den Kopf ein wenig und massierte sich die Hand, mit der er Nienaber geschlagen hatte. »Es tut mir leid, Captain.«
»Schon okay, Leon.« Joubert setzte sich an den Tisch und zog seine Zigaretten hervor. Er zündete eine an und ließ einen dünnen
Rauchstrahl zur Decke aufsteigen. »Ich glaube auch, das verdammte weiße, reiche Arschloch lügt.«
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Sie tranken im Aufenthaltsraum Kaffee, es war halb neun am Montagabend. Sie saßen nebeneinander, ihre Ellenbogen ruhten auf
ihren Knien, beide hatten die Hände um die Kaffeebecher gelegt. Reihenweise billige Stühle aus Stahl und Plastik standen an
der Wand und warteten auf den Andrang am Morgen.
»Ich habe alles ruiniert, Captain.«
Joubert seufzte. »Das stimmt, Leon.« Er nahm einen Schluck Kaffee, der viel zu lange in der Kanne vor sich hingeköchelt hatte.
»Du mußt etwas gegen diese Wutausbrüche unternehmen.«
»Ich weiß.«
Petersen starrte in seinen Becher, dunkelbraun, der Dampf stieg zu ihm auf. »Gott, Captain, so viele Probleme … Meine Frau
…« Er ließ den Kopf sinken. Er seufzte tief.
»Was ist, Leon?«
Er schaute zur Decke, als suchte er Hilfe. Dann stieß er langsam den Atem aus.
»Meine Frau will mich verlassen.«
Joubert sagte nichts.
»Sie sagt, ich sei niemals zu Hause. Sie sagt, meine Töchter brauchen einen Vater. Sie sagt, ein Stiefvater im Haus sei besser
als ein leiblicher Vater, den sie nie sehen. Sie sagt, sie habe nie Geld für irgend etwas. Du arbeitest wie ein Abteilungsleiter |280| und wirst bezahlt wie ein Gärtner, sagt sie. Kann ich Ihnen etwas verraten, Captain, etwas Persönliches?« Er schaute Joubert
an und sprach weiter, bevor Joubert antworten konnte. »Wissen Sie, wie lange es her ist, daß meine Frau und ich … Sie wissen
schon? Monate. Und jetzt sagt mir Bart de Wit, daß ich glänzen müßte, die Schwarzen müssen die Leiter hochsteigen, sie müssen
zeigen, daß es nicht nur Wahlversprechen waren. Jetzt, plötzlich, bin ich ein ›Schwarzer‹. Kein Farbiger mehr, kein Kap-Malaie,
kein Braunbär, sondern ein ›Schwarzer‹. Zack, neu eingeordnet. Und ich muß glänzen. Aber ich frage Sie, Captain: Was soll
ich denn machen? Ich glänze seit Jahren, nur mein Gehaltszettel wartet noch auf die Einlösung der Wahlversprechen. Und nicht
nur meiner. Wir alle. Weiße, Schwarze, Braune. All die Probleme, all die Morde und Vergewaltigungen, die vielen Überstunden,
die Arschlöcher, die auf einen schießen, und die reichen Weißen, die sich benehmen, als wäre man gar nicht da, und dann sagt
dein Chef, du mußt glänzen, und die Gewerkschaft sagt, keine Sorge, es ist alles in Ordnung, und deine Frau sagt, sie will
dich verlassen …«
Petersen nahm einen großen Schluck Kaffee.
Er seufzte wieder. Dann schwiegen sie.
»Wir packen ihn uns, Leon.«
»Nein, Captain, ich habe
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