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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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halten. Wäre er in eines der Standlager gebracht worden, in ein Valetudinarium, hätten sich tüchtige Ärzte seiner angenommen, und er hätte sich darauf verlassen können, schnell wieder auf die Füße zu kommen.
    Vorsichtig öffnete er die Augen. Ein Dreieck aus hellem Tageslicht schimmerte hoch über ihm. Er befand sich in einem hohen, spitzgiebeligen Raum, der zur Hälfte von einem Trockenboden durchschnitten war. In der Nähe seines schmalen Strohlagers befand sich eine aus Feldsteinen gemauerte Feuerstelle. Bunte Teppiche bedeckten den Boden bis zu der hohen Bohlenwand, die das Haus teilte und an der sich Truhen reihten und eine Bank. Eine Platte, die den Wilden wohl als Tisch diente, lehnte an dieser Wand, und neben der Türöffnung hing ein Balg, das Fell eines riesigen hellgrauen Wolfes, eine prachtvolle Jagdtrophäe. Wie das goldrote Hirschfell, das vor der kostbaren Liege im Arbeitszimmer auf dem perusianischen Gut seines Vaters ausgestreckt lag.
    Cinna versuchte sich vorzustellen, ob und wann die Nachricht von dem Überfall im Sommerlager des Varus oder in Mogontiacum eingetroffen sein könnte. Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war. Aber man würde ihn hier herausholen. Sein Vater war ein einflussreicher Mann, der sich niemals abfinden würde mit der Nachricht, der Sohn sei in den Wäldern der Germania verschleppt worden.
    Er betastete die verletzte Schulter, die empfindlichen Wundränder über dem Schlüsselbein, wo sich die Faser spannte, und fand einen dünnen Wulst, der bis zum Hals kroch. Die Folge eines Schwerthiebes, der von seinem Kettenhemd gedämpft worden war. Eines unentschlossenen Hiebes, denn der Knochen war nicht zerschmettert. In dünnen warmen Linien sickerte Schweiß von Stirn und Schläfen in sein Haar, während er den Blick auf den hellgrauen Balg heftete, auf die schlaff herabhängenden Ohren, die leeren Augenlöcher, die Schnauze, in der sich die messerscharfen Zähne befunden hatten – wie die, die sich in sein Fleisch gebohrt hatten. Er zählte seine Atemzüge, um nicht die Schreie zu hören, die in seinem Kopf gellten, und schärfte sich ein, dass die Retter kommen würden, dass es nur eine Frage der Zeit, eine Frage von Tagen sein würde, ehe man ihn aus den Klauen dieser Barbaren befreite. Und dennoch pochte das Blut in seinem Hals.
     
    Er fuhr zusammen, als hinter der Trennwand die Tür in den Zapfen knirschte und ein schmaler Streifen Licht schräg in den dämmrigen Raum fiel. Zunächst stellte er sich schlafend, horchte auf die schleifenden Schritte, ehe er vorsichtig blinzelte. Eine junge Frau im vielfach geflickten Kittel näherte sich dem Herd. Barfüßig. Eine Bauernmagd. Neben seiner notdürftigen Bettstatt stellte sie einen Napf mit frischem Wasser ab. Dann wandte sie sich der Feuerstelle zu und fachte die Glut mit dürren Reisern neu an, bevor sie sich mit irdenen Töpfen und Krügen zu schaffen machte.
    Es gelang Cinna, den Napf mit der linken, brauchbaren Hand zu erreichen. Doch er zitterte so sehr, dass ein Teil des Wassers über den Rand des Gefäßes schwappte und die Decken nässte, ehe er es auf der Brust abstellen konnte. Die Oberfläche des Wassers kräuselte sich unter seinem heftigen Atem, dann hob er mit höchster Anstrengung den Kopf aus den rauen Kissen dem tönernen Gefäß entgegen, und berührte mit den Lippen dessen Rand. Ein dünnes Rinnsal lief kühl in seinen Mund, über die klebrige, geschwollene Zunge, am Gaumen entlang, wo es sich sammelte, den üblen Geschmack löste. Er würgte es hinunter, während ihm der Rest über Kinn, Hals und Brust rieselte, er verschluckte sich, räusperte sich, hustete, und Tränen schossen ihm in die Augen. Da spürte er eine warme Hand in seinem Nacken, ein beruhigender Laut strich über ihn hinweg. Die Frau rollte ihn auf die linke Seite und massierte behutsam seinen Rücken, bis der Krampf nachließ.
    Neben ihm kauernd stützte sie ihn und half ihm, schluckweise zu trinken. Sein Kopf lehnte an ihrer Schulter. Sie war warm und roch, wie junge Landweiber riechen – nach Schweiß und feuchter Wolle, Stroh und Mist. Als er erschöpft zusammensank, ließ sie ihn behutsam zurück in die Decken gleiten.
    Sie brachte ein weiteres dickes Kissen, das sie in seinem Rücken zurechtstopfte, damit er halb aufrecht sitzen konnte. Dann bot sie ihm eine Schale mit dampfender Brühe und die Hälfte eines Brotfladens an.
    Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, schwemmte allen Stolz, alle Zurückhaltung

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